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Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition)

Titel: Womit ich nie gerechnet habe: Die Autobiographie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Werner
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der Lautsprechersprache eines Fernsehers ausgesetzt sind oder mit einem echten leibhaftigen Sprecher in Kontakt kommen. Sprache wird nämlich in drei Schritten erlernt, zuerst unbewusst über den Bewegungsapparat, dann halbbewusst über die Ebene des Fühlens, und erst im dritten Schritt wird sie bewusst gedanklich erfasst und verstanden. Sprachprobleme bei Kindern gehen deswegen sehr häufig mit motorischen Schwierigkeiten einher. Patzlaff forderte deswegen dringend, den Fernseher auszustellen und mit Kindern direkt zu sprechen.
    Im Aufsatz des Wissenschaftlers war das alles sehr anschaulich geschildert, weshalb ich das Telefonat und den Text schnell in Zusammenhang brachte. Ich bestellte die Publikation zigmal und verschickte sie an das komplette Management, zusammen mit der Frage: Wie können wir im Unternehmen Anlässe schaffen, den Menschen aus der Sprachlosigkeit zu helfen?
    Ganz wesentlich hat sich in diesem Zusammenhang meine Frau Beatrice eingebracht. Sie ist ausgebildete Sprachgestalterin und Schauspielerin und hat viele Jahre an der Waldorfschule Klassenspiele einstudiert. Zusammen mit dem Kunstprofessor Michael Bockemühl berieten wir nun zu dritt, auf welche Weise wir die jungen Menschen schulen könnten. Sie sind ja einem medialen Beeindruckungsbombardement ausgesetzt, das dazu führt, dass sie sich oft gar nicht mehr ausdrücken können. Aber der Mensch ist kein »Beeindruckungswesen«, sondern ein »Ausdruckswesen«. Um die Mitarbeiter im Ausdruck zu üben, erprobten wir verschiedene künstlerische Projekte etwa im Bereich Bildbetrachtung oder in Improvisation und Bewegung.
    Nach einer gewissen Erprobungszeit entschieden wir uns für Theaterarbeit, weil sie gleichermaßen den körperlichen wie sprachlichen Ausdruck, also Gestik, Mimik, Stimmmodulation und so weiter erfordert, aber obendrein eine Auseinandersetzung mit Texten und Geschichten bedingt. Mit großem Engagement suchte meine Frau die künstlerischen Kooperationspartner aus, besuchte Proben und motivierte mit ihren wertschätzenden Worten bei den abschließenden Aufführungen nicht nur die jugendlichen Teilnehmer, sondern auch die Leiter der Projekte, sich mutig auf diese neuartige Zusammenarbeit einzulassen. Wie bei dm üblich wurde auch hier permanent reflektiert, was sich besser machen ließe. Es bildete sich das »Lenkungsteam« aus den beiden freien Theaterregisseuren Marc Vereeck und Sylvia Hattazy, der dm-Mitarbeiterin Helga Weiss und meiner Frau Beatrice. Helga Weiss war übrigens die allererste Mitarbeiterin von dm und hatte im Laufe der Jahre viele sehr unterschiedliche Aufgaben übernommen. Das Theaterprojekt krönte ihre Berufsbiographie. Dieses Team kultivierte die Theaterarbeit derart, dass wir bei dm bis 2013 mehr als 800 Workshops mit ca. 8500 Teilnehmern gemacht und 170 Künstlerinnen und Künstler beschäftigt haben.
    So entstand also bei dm die vielseits gerühmte Initiative »Abenteuer Kultur«, die wir nicht nur für die Lernlinge, sondern neuerdings für alle Mitarbeiter zur Persönlichkeitsentwicklung anbieten. Immer wieder treffe ich in den Filialen auf Mitarbeiter, die bei dm ihre Ausbildung gemacht haben. Wenn ich frage: »Und wie erinnern Sie sich an Abenteuer Kultur?«, dann heißt es meist: »Das war das Beste, was ich bisher erlebt habe!«
    Anfangs gab es große Skepsis. Aber inzwischen ist klar, dass die Mitarbeiter im Rahmen von Abenteuer Kultur Erfahrungen machen, die sie als sinnvoll für ihr Leben erfahren. Arbeit wird zum Ort eigener biographischer Entwicklung.
    »Theaterspielen ist keine Spielerei, wir üben auch keine Verkaufstricks«, brachte Theaterregisseur Marc Vereeck die Idee von Abenteuer Kultur einmal auf den Punkt. »Das Theaterspiel ist ein Aufwacherlebnis, die Spieler müssen offene, unplanbare Situationen bewältigen. Wer mal vor 200 Leuten ein Gedicht aufgesagt oder eine Diva gespielt hat, der kann später besser auf Kunden zugehen, aber natürlich auch überzeugend mit seinem Gebietsverantwortlichen argumentieren.«
    Ideen, Initiativen, Innovationen
    Doch Kultur ist bei dm nicht das Sahnehäubchen auf einem ansonsten knallharten Geschäft, im Gegenteil, die Arbeit im Unternehmen wird selbst zur Kultur. Denn Kultur trägt entscheidend dazu bei, wie sich die Gesellschaft weiterentwickelt. Deswegen haben wir auch andere Initiativen gestartet, etwa zusammen mit der Deutschen UNESCO-Kommission 2008 den Wettbewerb »Ideen Initiative Zukunft«: Dabei wurden die Menschen mit dem Slogan »Sei ein

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