Wood, Barbara
Leibchen, das aus
den Fasern einer weißblättrigen Pflanze gefertigt war. Erst als Neal genauer
hinschaute, erkannte er, dass ihr Oberkörper so dicht mit Streifen und Punkten
und Kreisen verziert war, dass diese Bemalung wie ein Kleidungsstück wirkte.
Dass das Mädchen
barbusig war, verblüffte ihn derart, dass er nach Luft schnappte.
»Krank?«
Besorgt sank Jallara neben ihm auf die Knie. »Schmerzen?«
Sie roch
nach Talg, und ihre unvermittelte Nähe machte ihn verlegen. Jallara konnte
nicht älter als siebzehn sein. Ihre Haut schien weich und zart zu sein, ihre
dunklen Augen funkelten, und als sie lächelte, umspielten zwei Grübchen ihre
Lippen ...
Völlig
durcheinander angesichts der Gedanken, die ihn übermannten, und der Reaktion
seines Körpers auf ihre Gegenwart, wandte Neal den Kopf ab.
Noch
verstörter war er, als sie ihren Arm unter seinen Nacken schob und ihm einen
Trinkbeutel aus Opossumhaut an den Mund hielt. Kaum dass die ersten Tropfen
Wasser seine Lippen benetzten, begann er gierig zu trinken, konzentrierte sich
zunächst ganz auf das köstliche Nass, das kühl und erquickend durch seine verdorrte
Kehle rann. Allmählich aber wurde er sich der zwei festen hellbraunen Brüste
dicht an seinem Gesicht bewusst.
»Danke«,
sagte er, nachdem sein erster Durst gestillt war. »Du sprichst ja Englisch.«
Jallaras
Lächeln vertiefte sich, so dass man ihre kräftigen weißen Zähne sah. »Wie geht
es Ihnen, Sir?«
Neal
erwiderte das Lächeln. »Ein wenig Englisch zumindest.« Als er langsam wieder
klar denken konnte und ihm der Duft von gebratenem Fleisch in die Nase stieg,
als er seine Glieder bewegte und merkte, dass er sich auf dem Ellbogen
aufstützen konnte, stellte er fest, dass er sich unter einem schützenden Dach
befand, das zu einem Lager gehörte, in dem sich Männer, Frauen und Kinder
tummelten - etwa dreißig oder mehr Aborigines mochten es
sein -, und dass diese provisorische Siedlung aus Holzverschlägen und
Schutzdächern und Lagerfeuern neben einem Wasserloch errichtet war. Die Gruppe
umfasste alle Altersstufen, vom Säugling bis zu Graubärten; die Männer waren
damit beschäftigt, Waffen zu fertigen oder instand zu setzen, während die
Frauen ihre Babys stillten, aus Schnüren und Fasern Körbe flochten und Netze
knüpften und die Kinder mit jungen Dingos herumtollten. Neal sah auch die
langblättrigen Eukalyptusbäume, die das Wasserloch umstanden - anhand des
weißen Stamms und der sich so leicht schälenden Rinde wusste er, das es sich um
den Eucalyptus coriacea vulgo
Schnee-Eukalyptus handelte -, was Kakadus jedoch nicht davon abhielt, ihre Äste
zu bevölkern. Der Boden war teilweise bedeckt mit Wildblumen und grünem Gras.
Ein veritabler Garten Eden inmitten unfruchtbaren Ödlands. »Wo bin ich?«,
fragte er.
Jallara
runzelte die Stirn, so als falle es ihr schwer, sich längst vergessener Worte
zu erinnern. Da ihre Gesichtszüge durchaus auf weiße Vorfahren schließen
ließen, überlegte Neal, ob das Mädchen nicht vielleicht eine Weile in einer
christlichen Missionsschule gewesen war oder auf einer Rinderfarm gelebt
hatte. Schließlich sagte sie: »Du hier, Thulan.«
»Thulan?
So heißt dieser Ort?« Neal ließ den Blick über die staubigen Felsblöcke
schweifen, die sich aus dem roten Sand erhoben, über die Eukalypten, die um
das Wasserloch herum um ihr Überleben kämpften, über die unendliche Wüste.
Sie
schüttelte den Kopf und pochte auf seine Brust. »Du Thulan.«
»Warum
nennst du mich Thulan?« Er sah sie verständnislos an.
»Thulan
bringen uns zu dir.«
»Was
willst du damit sagen?«
Sie dachte
eingehend nach, suchte nach Worten. Dann sagte sie: »Wir jagen. Wir folgen
Thulan. Er finden dich ... du schlafen ... Augen geschlossen.«
»Ja, ich
war bewusstlos.«
»Thulan
dein Geist-Führer. Vielleicht du auf Wanderung. Du auf Thulan Traumpfad? Er
dich beschützen.«
»Mein Name
ist Neal Scott.« Er klopfte sich auf die Brust. »Ich bin Neal Scott.«
Sie rang
um Worte, aber in ihrer Eingeborenensprache schien es den Buchstaben S nicht zu
geben. Als sie dann unter großer Anstrengung ein Niel-ah-kaht herausbrachte,
winkte Neal ab. »Schon gut, Thulan geht in Ordnung.« Wobei er sich fragte, was
ein Thulan sein mochte. Hoffentlich nichts Unangenehmes oder Komisches.
»Wir
denken du tot«, sagte sie. »Geist von Eukalyptusbaum dich retten.«
»Eukalyptusbaum?«
Ihm fiel die Grube ein und der eigenartige Geruch, der ihn eingehüllt hatte.
Ja natürlich,
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