Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
Vom Netzwerk:
dadurch vergessen, dass er das Haus mit teuren Möbeln ausstaffierte,
mit Teppichen aus der Türkei, sogar mit Rüstungen, die er aus London
importieren ließ. Er nahm die Allüren von einem Großkotz an und verlangte das
Gleiche von seinen Söhnen. Meine Brüder hielten sich dran, besuchten vornehme
Internate, wurden Clubmitglieder in Sydney, trugen Zylinder und benahmen sich
wie feine englische Pinkel. Ich war da anders. Ich war hier geboren, mit dem
ersten Atemzug hab ich australische Luft geschnuppert, und das hat mich in
meiner Familie zum Außenseiter abgestempelt. Mein Vater versuchte zwar, mich
auf seine Schiene zu bringen, aber das hat nicht geklappt. Ich war ein wilder
Bursche. Hatte kein Sitzfleisch, hielt's nicht lange am Schreibtisch oder vor
einer Schiefertafel aus. Diverse Hauslehrer kamen nach The
Grange und gingen wieder, und wie oft mir mein Vater den Hintern
versohlt hat, kann ich gar nicht sagen. Als ich vierzehn wurde und er
beschloss, mich nach England zu schicken, damit ich dort auf die Schule gehe
und auch so ein eingebildeter Fatzke werde, packte ich ein paar Sachen zusammen
und haute ab, und seither bin ich ständig auf Achse.«
    »Waren Sie
nie wieder zu Hause?«
    »Doch.
Einmal, vor ein paar Jahren. Der Alte hatte wieder geheiratet und weitere O'Briens in die Welt gesetzt. Ich stieg die Stufen vor der Haustür hoch, aber
er wollte mich nicht reinlassen. Sagte, er hat mich enterbt und ich soll mich
nie wieder blicken lassen. Damals war die Liste meiner Schandtaten noch nicht
so lang wie jetzt, alles kleinere Sachen, aber schon damals drohte er mir, die
Polizei auf mich zu hetzen. Dass er ein ausgemachter Drecksack war, kann ich
trotzdem nicht behaupten. Immerhin räumte er mir eine Stunde Vorsprung ein.«
    Lange sah
er Hannah an, sein Blick glitt über ihr Gesicht, über die hübsche Haube auf
ihrem dunklen, im Nacken zum Knoten zusammengefassten Haar. Mitten im rauen
Niemandsland, schoss es ihm durch den Kopf, und sie sieht nach wie vor wie eine
Dame aus. »Ich sag dir jetzt mal was über das Outback, Hannah.«
    Sie hatte
ihm weder gestattet, sie mit ihrem Vornamen anzusprechen oder gar zu duzen,
noch hatte er sie um Erlaubnis darum gebeten. Dennoch erhob sie keine Einwände.
    »Im Leben,
Hannah, kommt es darauf an, alles in den Augenblick reinzupacken. Alle Stunden
und Tage, alles, was war und was sein wird. Du musst alles ins Jetzt zusammenquetschen und es wie eine festliche Mahlzeit
genießen.«
    »Und mich
außerhalb der Gesetze stellen?«
    Wieder
suchte er nach Anzeichen von Verurteilung, wieder entdeckte er nichts davon. Er
wusste, dass sie eine Antwort erwartete. »Ich lebe nicht außerhalb der
Gesetze, Hannah. Ich lebe nach meinen eigenen Gesetzen, so einfach ist das.
Kein hochnäsiger Richter in weißgepuderter Perücke und zwölftausend Meilen weit
entfernt wird Jamie O'Brien
vom Unterlauf des Murrumbidgee vorschreiben, wie er zu leben hat.«
    Er griff
nach der Emailtasse neben seinem Hut, erhob sie wie zu einem Trinkspruch und
nahm einen Schluck. Als er die Tasse, die, wie Hannah wusste, mit Whiskey
gefüllt war, wieder abstellte, seufzte er auf: »Der Kerl, der nichts für 'nen
anständigen Tropfen übrig hat, tut mir ehrlich leid.«
    »Warum?«
    »Weil das,
wenn er morgens aufwacht, das Schönste ist, was ihm den weiteren Tag über
passieren kann.«
    Er
verlagerte sein Gewicht, was nicht ohne ein Aufstöhnen vor sich ging.
    »Schmerzen?«,
fragte Hannah besorgt und hoffnungsvoll.
    »Diese
eine Stelle ist noch immer unangenehm. Könntest du dort die Bandage um die
Schiene nicht ein bisschen lockern?«
    Damit die
Schiene richtig saß, musste sie in Abständen nachgerichtet werden; anfangs
ging es darum, Rücksicht auf die Schwellung zu nehmen, danach dann, das Bein
entsprechend strenger zu schienen. Vorsichtig nestelte Hannah an dem verknoteten
Lappen herum - und erschrak zutiefst, als die beiden Enden beiseite fielen.
    Von Mond
und Sternen erhellt, starrte sie auf einen großen schwarzen Fleck auf dem
Verband über der genähten Wunde. Sie schloss die Augen. Also doch Wundbrand.
Der durchgeweichte Verband wies eindeutig auf Nekrose hin. Es bestand keine
Hoffnung mehr.
    »Alles in
Ordnung?«, fragte Jamie.
    »Ich
fixiere nur wieder die Schiene.« Mit zitternden Händen verknotete sie den
schmutzigen Lappen wieder über dem hässlichen dunklen Fleck.
    Jamie rieb sich das stoppelige Kinn. »Darf ich dich noch um was bitten,
Hannah? Würdest du deine Haube abnehmen? Nur für heute

Weitere Kostenlose Bücher