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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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Josiahs
tränenfeuchten Blick vergessen; es war, als verliere er dadurch, dass er dem
Jungen reinen Wein einschenkte, den Sohn, den er zwölf Jahre lang gehabt hatte.
    Auch an
Hannah dachte Neal, und wie sie sich an ihn geklammert hatte, während des
Sturms auf der Caprica und
abermals auf der staubigen Straße vor dem Australia Hotel.
    Er
richtete den Blick auf den monumentalen Berg, der tagsüber feuerrot war und
sich nachts dunkelrot verfärbte, und zog das Fell enger um sich. Dass es
Oktober geworden war, wusste er, aber nicht, welcher Tag. Merkwürdigerweise
machte ihm das nichts aus, im Gegensatz zu früher, wo er, für einen
Wissenschaftler unerlässlich, stets das jeweilige Datum und selbst die Uhrzeit
im Kopf gehabt hatte. Aber bei den Aborigines hatte er
gelernt, den Lauf der Zeit nach den Sternen, der Länge der Schatten und nicht
zuletzt nach seinem eigenen inneren Rhythmus zu bestimmen.
    Noch sehr
viel mehr hatte er gelernt. Seit Jallaras Englisch zurückgekommen war und Neal
mittlerweile ihre Gesten und ihren Tonfall zu deuten verstand und nicht zuletzt
ein wenig in der Sprache der Aborigines radebrechen
konnte, hatte er festgestellt, dass ihre religiösen Anschauungen auf einem
komplizierten System gründeten. Nach Meinung der Aborigines hinterließ jede bedeutende Handlung, jedes bedeutende Ereignis oder
jeder Lebensabschnitt dort, wo sich Derartiges ereignete, Nachschwingungen in
der Erde. Vom Land, seinen Bergen, Felsen, Flussbetten und Wasserlöchern, von
allem gingen weiterhin Vibrationen derjenigen Ereignisse aus, die dem
jeweiligen Ort Leben eingehaucht hatten.
    Beim
Gedanken an den rostroten Berg, der sich jetzt als dunkler, unheimlicher
Brocken gegen die Sterne abhob, stellte sich Neal die Frage, ob die
Vibrationen, die seinem Gefühl nach von diesem Berg herrührten, nicht
vielleicht schon vor Urzeiten begonnen hatten, genauer gesagt durch die
geologische Umwälzung, die ihn hatte entstehen lassen.
    Jallara
hatte zu ihm auch von der Traumzeit gesprochen, die sie als »lange vor der
Zeit« beschrieb, als die Geister der Urahnen in menschlicher und anderer
Gestalt auf die Erde kamen, um dem Land, den Tieren und Menschen ihre heutige
Gestalt zu geben. Und noch immer, so hatte sie gesagt, seien die Geister der Urahnen
und ihre Macht gegenwärtig, auf den Traumzeitpfaden, die man überall sehe.
    Der in
religiöser Hinsicht wenig geschulte Neal konnte nicht viel damit anfangen.
Josiah Scott hatte ihn zwar sonntags in die Kirche mitgenommen, aber was da von
der Kanzel gepredigt worden war, hatte den Jungen nicht sonderlich
angesprochen. Was ihn dagegen beeindruckte und was er mit jedem Tag besser nachvollziehen
konnte, war die enge Verbundenheit von Jallaras Volk mit der Erde und der
Natur. Er begriff, dass die Menschen sich keineswegs als übergeordnete Wesen
betrachteten, dass Tiere oder Wasser oder Felsen gleichwertig und sie alle Teil
des weit verzweigten Netzes waren, das beim Schöpfungsakt, in der Traumzeit,
gesponnen worden war.
    Während es
über ihm in den Zweigen des Mulgabaums raschelte und Neal überlegte, was für
ein Vogel oder Nagetier sich dort oben herumtreiben mochte, erfüllte ihn
abermals tiefe Dankbarkeit gegenüber Jallara und ihrem Volk. Sie hatten ihm
das Leben gerettet. Und wieder sann er darüber nach, wie er sich dafür
erkenntlich zeigen konnte. Von seinem Vorhaben, ihnen zu zeigen, wie man
stabilere Unterkünfte baute, hatte er abgelassen, weil ihm klargeworden war,
dass sie für ihr Nomadenleben Unterkünfte brauchten, die sich rasch erstellen
und abreißen ließen. Dann war ihm die Idee gekommen, ihnen Lesen und Schreiben
beizubringen. Jallaras Volk verfügte über ein phänomenales Gedächtnis. Wenn
Thumimburee die Geschichte des Clans erzählte, lauschte man wie gebannt. »Wir
gehen, wir gehen, wir schlagen Lager auf am Emu-Traumzeitpfad. Jagen Känguru.
Dreimal schlafen. Wir gehen, wir gehen ...« Manche Geschichten zogen sich über
Stunden oder gar Tage hin. Beeindruckend, wie Neal meinte, aber noch besser
wäre es, wenn sie ein für alle Mal schriftlich festgehalten würden.
    Er rollte
sich in sein Kängurufell, nicht ohne sich zu wünschen, bei dieser Eiseskälte
noch weitere zur Verfügung zu haben, und nahm sich vor, sobald er Perth erreichte, seinen Plan in Angriff zu nehmen, Jallaras Clan das
Alphabet beizubringen und sie mit allen notwendigen Materialien auszustatten,
um lesen und schreiben zu lernen.
    Er schlief
unruhig, warf sich immer wieder von einer

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