Wood, Barbara
beginnen, aber mich lockt nun mal das
Abenteuer, und diesem Ruf kann ich einfach nicht widerstehen. Ich bin noch nie
übers Meer gefahren, Hannah, war noch nie in einem fremden Land. Es wird Zeit,
dass ich meinen Horizont erweitere.« Er grinste. »Und wenn ich an all diese
reichen Täubchen in Kalifornien denke, die nur drauf warten, gerupft zu werden
...«
Er griff
in seine Jackentasche und zog eine Rolle Banknoten heraus. »Das ist dein Anteil
am Geld für die Opale.«
»Das ist
viel zu viel!« Es schienen mehrere hundert Pfund zu sein.
»Die
Überfahrt kostet uns nichts, wir brauchen nur genug, um uns die Schürfrechte in
einer Goldmine zu erwerben. Die anderen sind alle längst wieder Richtung Heimat
gezogen, dorthin, wo ich sie kennengelernt habe - Bluey Brown, Tabby, Charlie Olde und wer da sonst noch war. Als reiche und übers ganze
Gesicht strahlende Männer. Sie haben alle noch was zu deinem Anteil
dazuge-tan, das Geld ist also von uns allen. Damit du dir in Australien was
Schönes aufbauen kannst. Meine Kumpel haben eine Schwäche für dich, Hannah. Ich
glaube, sie sind alle in dich verliebt.«
Er
unterbrach sich, ein Schatten huschte über sein Gesicht. »Ich würd mich freuen,
wenn du mitkämst, Hannah, aber ich weiß, dass ich das nicht von dir verlangen
kann, und eigentlich kann ich mir auch nicht vorstellen, dass du ja sagst. Du
bist nach Australien gekommen, um Großes zu vollbringen. Wer weiß, vielleicht
komm ich ja irgendwann mal zurück und sehe dann auf dem Victoria Square ein
Denkmal von dir.«
Ihre Augen
füllten sich mit Tränen.
»Ich hab
noch was für dich.« Er überreichte ihr ein in schwarzes Leder gebundenes
kleines Buch, auf dessen Umschlag, in Silber geprägt, »Tagebuch« stand. Hannah
schlug es auf und sah, dass die Seiten mit ungelenker Hand in Bleistift
beschrieben waren. »Meine Geschichten«, sagte Jamie. »Sie gehören jetzt dir.«
Hannah war
sprachlos, als sie die Seiten durchblätterte und die Geschichte von Queenie
MacPhail entdeckte, die von dem Hund auf der Proviantkiste und all die anderen.
»Du solltest sie mit nach Kalifornien nehmen, Jamie!«
»Sie
gehören jetzt dir, Hannah. Ich nehm mal an, dass ich in Kalifornien jede Menge
neue erlebe. Geschichten von Goldsuchern und über ein riesengroßes neues Land.«
Er trat
dicht an sie heran. »Verfolge deinen Traum weiter, Hannah. Sei eine
Heilpraktikerin. Setz dir deine eigenen Maßstäbe. Lass deine Hände Wunder vollbringen. Du hast mir das Leben gerettet. Du
kannst weitere retten. Sei eine Heilerin, Hannah.«
Seine
Stimme wurde brüchig. »Mein Gott, ich liebe dich, Hannah Conroy. Und auch wenn
ich hundert Jahre alt werden sollte, weiß ich schon jetzt, dass ich keine
andere Frau so lieben werde wie dich.«
Er zog sie
in die Arme und küsste sie voller Leidenschaft.
Hannah schlang
einen Arm um seinen Hals und erwiderte den Kuss, schmiegte sich mit Tränen in
den Augen an ihn. Jamie O'Brien, der sich so gern damit brüstete, ein echter
Australier zu sein und nirgendwo anders hinzugehören, war in Wahrheit ein
Heimatloser.
Er löste
sich von ihr, gab sie ein für alle Mal frei. »Irgendwann komm ich zurück. Wirst
schon sehen. Ich komm zu dir zurück, Hannah.«
Sie sah
ihm zu, wie er sein Pferd bestieg und durch die Baumgruppe davonritt, nach
Süden, in Richtung Hafen, von wo morgen ein Schiff namens Southern Cross nach
Kalifornien auslief.
37
»Großer
Gott, die haben wohl aus Ihnen auch einen Wilden gemacht, wie?« Sir Reginald
bemühte sich erst gar nicht, seine Missbilligung zu verbergen. Es wurmte ihn,
dass der Amerikaner sich weigerte, sich wie ein zivilisierter Mensch zu
verhalten. Er war jetzt zwei Wochen bei der Expeditionsgruppe und lief noch
immer so herum wie ein Aborigine.
Neal
enthielt sich einer Antwort und drehte weiter den Spieß mit dem Waran über dem
Feuer. Ich und ein Wilder?, dachte er verächtlich. Ich bin doch nicht derjenige, der zum Himmel stinkt.
Seit
Wasser knapp geworden war und rationiert werden musste, verzichteten die
Mitglieder der Expedition auf jedwede Körperpflege. Da sie aber trotz der
gnadenlosen Dezemberhitze noch immer in voller Montur herumliefen, verströmten
sie in ihren verdreckten Kleidern einen unangenehmen Geruch. Auch die Zähne
putzten sie sich nicht mehr, und ständig kratzten sie an den Bissen herum, die
ihnen Sandflöhe und Läuse beibrachten. Neal nahm absichtlich Abstand von der
europäischen Vermummung, damit sein Schweiß verdunsten konnte.
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