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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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Hannah den Mut nicht auf. Sie hatte Anzeigen in
Zeitungen geschaltet, überall in der Stadt Zettel angeheftet, war sogar, wie
weiland »Dr.« Gladstone, der
Bader-Dentist, in Geschäften vorstellig geworden, um dort ihre Visitenkarten zu
verteilen und Ladenbesitzer über die Eröffnung ihrer Praxis zu informieren. Die
Leute brauchten eben Zeit, sich mit neuen Behandlungsmethoden anzufreunden und
Hannah zu akzeptieren.
    Dies stand
für sie ebenso fest wie die Tatsache, dass Neal jetzt jeden Tag bei ihr
auftauchen konnte.
    Vor sechs
Wochen hatte sie Jamie O'Brien an der alten Forststraße Lebewohl gesagt. Auch
wenn er weit weg war, unterwegs nach Kalifornien, würde sie ihm immer ein
liebevolles Gedenken bewahren. Auf dem Postamt hatte sie einen Brief für Neal
hinterlegt, falls er, wenn er merkte, dass das Australia Hotel geschlossen war, dort vorstellig wurde. Auch an Mr. Days Anschlagtafel hatte sie eine Nachricht für ihn hinterlassen.
Schließlich hatte er gesagt, dass er bis Weihnachten zurück sein würde, und
Weihnachten war in zwei Tagen.
    »Ich muss jetzt ins Elysium, zur Probe
für die Weihnachtsaufführung heute Abend. Wirst du auch da sein?« Seit Alice
auf Tournee durch die Kolonien gewesen und mit überschwänglichen Kritiken
bedacht worden war, zog sie mehr denn je die Massen an.
    »Die lasse
ich mir auf keinen Fall entgehen«, erwiderte Hannah und umarmte die Freundin.
»Danke, dass du mir beim Schmücken des Baums geholfen hast.«
    Sie
begleitete Alice zur Tür. Als sie sie wieder schloss, fiel ihr Blick auf die
Zeitung, die fein säuberlich gefaltet auf dem Tischchen neben dem Eingang lag.
Ihre Haushälterin musste sie auf ihrem morgendlichen Einkaufsweg erstanden haben.
    Hannah
faltete das Blatt auseinander. Auf der Titelseite sprang ihr die Schlagzeile
TRAGISCHES ENDE DER OLIPHANT-EXPEDITION ins Auge. Und darunter, in etwas
kleineren Lettern:
     
    keine überlebenden bei der mit vorschusslorbeeren bedachten expedition
durch die wüste.
     
    Der Boden
unter Hannahs Füßen schwankte. Sie musste sich
an der Wand abstützen, bekam plötzlich keine Luft mehr.
     
    In der St. George's Church in Perth fand ein Trauergottesdienst statt. Mit zu Herzen gehenden Worten gedachte
Vizegouverneur McNair der zweiunddreißig tapferen Männer, die vor neun Monaten
unter der Leitung von Sir Reginald aufgebrochen waren ...
     Es
dauerte einen Augenblick, bis Hannah das Klopfen an der Haustür wahrnahm. Mrs.
Sparrow, die adrett gekleidete Haushälterin, eilte vom
rückwärtigen Teil der Wohnung herbei, um zu öffnen.
    Eine
elegante Dame mit zwei Kindern stand auf der Schwelle. Hinter ihr, auf der
Straße, wartete die Kutsche einer allem Anschein nach wohlhabenden Familie.
»Ist dies das Haus der Heilpraktikerin?«, erkundigte sich die Besucherin.
    Mrs.
Sparrow trat beiseite und verwies auf Hannah neben sich. »Timothy
wird seinen Husten nicht los«, sagte die Frau, »und Lucy macht ein Ausschlag zu
schaffen.« Sie dämpfte die Stimme und fügte, ohne Miss Conroys ungewöhnliche
Blässe zu bemerken, hinzu: »Und ich habe auch ein kleines Problem. Ich muss sagen, dass ich es angenehm finde, endlich einmal mit einer Frau über
derlei Dinge sprechen zu können. Ein Arzt hat doch dafür nicht das rechte
Verständnis, finden Sie nicht auch?«
     
    MELBOURNE
     
    November
1852
     
    39
     
    Da war sie
wieder, diese bezaubernde junge Frau, die ihm bereits aufgefallen war.
    Sir Marcus
hatte inzwischen ihren Namen in Erfahrung gebracht - Miss Hannah Conroy -, und
während er sich mit Dr. Soames unterhielt, beobachtete er, wie besagte junge
Dame durch die Eingangshalle des Hospitals auf die Treppe zuging und dann zum
oben gelegenen Stockwerk entschwand. Was sie wohl diesmal hierherführte?
    Sie war
schon häufiger hergekommen, und immer wirkte sie wie völlig fehl am Platze. Ein
Hospital war per definitionem eine
Einrichtung für Mittellose, für Leute also, die weder das Geld dafür hatten,
einen Arzt zu sich nach Hause zu rufen, noch jemanden zu bezahlen, der sich um
sie kümmerte. Dementsprechend gehörten Besucher in Melbournes Victoria
Hospital für gewöhnlich der unteren Schicht an, waren ärmlich gekleidet, einige
sogar betrunken und aufsässig. Und schon deshalb wirkte die junge Dame - die
stets elegant gekleidet war, Handschuhe und eine Haube trug und einen zierlichen
Sonnenschirm am Arm - hier so fehl am Platze. Sie war zweifellos von vornehmer
Herkunft und gebildet und kam bestimmt nicht her, um ein Familienmitglied

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