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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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säubern.
    Als Hannah
sich dem Bett am Ende der Reihe näherte, war sie erstaunt, dass Nellies Baby nicht bei der Mutter lag. »Hallo, Nellie «, sagte
Hannah leise, streifte sich die Handschuhe ab und legte der jungen Frau die
Hand auf die Stirn. Die Patientin, die die Augen geschlossen hatte, reagierte
nicht. Und ihre Stirn war, wie Hannah erschrocken feststellte, glühend heiß.
    Sie zählte Nellies alarmierende Pulsschläge, schlug
dann die Decke zurück, um vorsichtig den Unterleib der Wöchnerin abzutasten, mit
der Folge, dass das junge Mädchen aufstöhnte.
    Hannah
erstarrte. Nellie wies die
klassischen Symptome von Kindbettfieber auf. Wie war das möglich? Unwillkürlich
wurde Hannah an die Nacht erinnert, da ihre Mutter Louisa zwei Tage nach der Geburt von Hannahs Brüderchen
in ein heftiges Fieber gefallen war. John Conroy
hatte tage- und nächtelang alles getan, um die beiden zu retten - und sie dann
doch einer Krankheit überlassen zu müssen, deren Ursache ebenso unbekannt war
wie deren Behandlung und die unweigerlich zum Tode führte.
    »Bitte
holen Sie Dr. Iverson«, wandte sie sich an die Bedienstete. »Er hält sich
unten in der Eingangshalle auf.«
    Inzwischen
holte sie aus ihrer Tasche das Stethoskop und horchte Nellies Brust ab. Das mühsame Atmen war ein weiteres unmissverständliches
Indiz für Kindbettfieber.
    »Verehrteste,
dürfte ich erfahren, was Sie da machen?«
    Hannah
richtete sich auf. Marcus Iverson, eine hochgewachsene imposante Erscheinung,
war an das Krankenbett getreten. Der Mittfünfziger war der Leiter des
80-Betten-Hospitals und stand trotz seiner gelegentlich unnahbaren Art in dem
Ruf, freundlich und mitfühlend zu sein. Wie Hannah selbst erlebt hatte, nahm er
sich stets Zeit, Patienten mit einem leichten Tätscheln und einem beruhigenden
Wort aufzumuntern. Während ihrer Ausbildung in London war es dagegen
vorgekommen, dass Ärzte auf ihrem Rundgang die Bettlägerigen nicht einmal zur
Kenntnis nahmen.
    Was Hannah
an Dr. Iverson außerdem gefiel, war, dass er bei seiner Visite stets einen
sauberen Kittel, blütenweiße Hosen und Hemden trug und von seinem medizinischen
Personal das Gleiche verlangte, auch wenn dies generell nicht üblich war. Des
Weiteren hatte Marcus Iverson eingeführt, dass Bettpfannen mehr als einmal pro
Tag zu leeren waren, dass Patienten, die weder von Angehörigen noch Freunden
versorgt werden konnten, verköstigt und dass nach jeder Entlassung die Betten
frisch bezogen wurden.
    Hannah
nahm ihr Stethoskop wieder an sich. »Mrs. Turner hat hohes Fieber und starke
Schmerzen im Unterleib«, gab sie Auskunft.
    Sir Marcus
musterte sie mit gewölbten Brauen. »Was berechtigt Sie eigentlich zu dem, was
Sie hier tun?«
    »Ich bin
Hebamme. Ich sollte Mrs. Turner
entbinden, war aber auswärts und deshalb nicht zu erreichen.«
    Angesichts
dieser unerwarteten Auskunft kräuselte Sir Marcus die Lippen - Miss Conroy
entsprach in keiner Weise seiner Vorstellung von einer Hebamme -, dann wandte
er sich an die Patientin, legte ihr sanft die Hand auf die Stirn. Nellie schlug die Augen auf. Mit angsterfülltem Blick und zitternder Stimme
fragte sie: »Muss ich sterben, Sir?«
    »Aber
nicht doch«, gab er zurück und klopfte ihr beruhigend auf die Schulter. Dann
wandte er sich an Hannah. »Sie vermuten, dass es sich hier um Kindbettfieber
handelt?«
    Hannah
verstaute ihr Stethoskop in der Tasche. Mit Erweiterung ihrer beruflichen
Tätigkeit von der einer Hebamme auf die einer Hebamme und Heilpraktikerin hatte
sie ihre blaue Teppichtasche durch eine schöne aus Leder ersetzt. »Dessen bin
ich mir sogar sicher, Doktor, und wie Sie wissen, geht damit eine hohe
Ansteckungsgefahr einher.«
    Er war
einen Augenblick lang verblüfft, nickte dann. Auch er war betroffen von dieser
unerwarteten Entwicklung. Gestern war die Patientin noch gesund gewesen. Was
war seither passiert?
    »Weisen
Sie Mrs. Butterfield an, mit Chlor
präparierte Tücher bereitzustellen und Schläuche herbringen zu lassen und jemanden
abzustellen, der sie bedient«, instruierte er die für die Station zuständige
Bedienstete.
    Hannah
wusste, dass das Aufhängen von in Chlor getränkten Tüchern um das Bett eines
Patienten mit anschließendem Ausräuchern dieses abgetrennten Gevierts bei der
Bekämpfung von infektiösem Fieber gang und gäbe war. Nichtsdestotrotz griff sie
in ihre Tasche und holte ein Fläschchen ihrer Jodtinktur heraus. »Dr. Iverson,
dürfte ich Sie bitten, Ihre Kollegen dazu anzuhalten, dass

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