Wood, Barbara
Dr. Davenport - selbst von Lulu Forchette
(»Gegen chronische Blähungen schafft ein Glas Buttermilch täglich Abhilfe«) -
und auf ihren Fahrten über Land gelernt hatte, sollte in das Buch einfließen.
Bislang aber hatte Hannah noch keine Zeit gefunden, diese umfangreiche Arbeit
in Angriff zu nehmen. Neben ihrer Praxis, die sie voll und ganz in Anspruch
nahm, forschte sie noch immer nach einer Erklärung für die geheimnisvollen
letzten Worte ihres Vaters. Wenn sie zunächst angenommen hatte, dass er die
Jodtinktur für ein universelles Allheilmittel ansah, war sie in den letzten
vier Jahren dahintergekommen, dass dem keineswegs so war.
Sie sah
die Straße hinauf und hinunter, auf der es durch die vielen Wagen und Reiter,
durch die Postkutsche aus Sydney und die Überlandkutsche aus Adelaide immer
wieder zu Staus kam. Es war ein warmer Tag. Um sich die Stirn abzutupfen,
angelte sie ein zusammengefaltetes Taschentuch aus ihrer Tasche, hielt aber
inne, als sie die Initialen sah. Nein, dieses Tuch war kein Gebrauchsgegenstand,
sondern ein liebevolles Andenken.
»Fühlst du
dich nicht manchmal einsam?«, hatte ihre Freundin Blanche sie irgendwann
gefragt, und Hannah hatte gewusst, dass sie damit männliche Gesellschaft
meinte. Aber daran war Hannah nicht interessiert, nicht solange der Schmerz um
den Verlust von Neal noch so tief saß.
Nach den
Schlagzeilen über das tragische Ende der Expedition in der Wüste hatte sich
Hannah in den Niederlassungen sämtlicher Zeitungen nach Einzelheiten
erkundigt. Aber auch dort war nicht mehr bekannt als das, was Reisende aus dem
Westen Australiens - und auch das nur lückenhaft - zu berichten wussten.
Daraufhin hatte Hannah an die Kolonialverwaltung in Perth geschrieben und die niederschmetternde Antwort erhalten, dass Sir
Reginald und seine Gruppe von feindseligen Aborigines hingemetzelt worden
seien. »Einem einzigen Überlebenden«, hieß es weiter, »ist es gelungen, sich
nach Perth durchzuschlagen, einem
Landvermesser und Mitglied der Expedition namens Archie Tice. Bei Ausbruch der Feindseligkeiten schwang er sich auf ein Pferd
und jagte davon, bekam aber von Ferne noch mit, dass eine ungeheure Explosion
erfolgte, der alle zum Opfer fielen. Mit letzter Kraft schaffte es Mr. Tice zu
einer christlichen Mission im Outback, wo er noch Bericht über die Ereignisse
erstatten konnte, ehe er tot zusammenbrach.«
»Hier also
bist du!«
Hannah sah
auf und erkannte ihre Freundin Blanche Sinclair, die in einer eleganten
zweispännigen Kalesche vorfuhr. Ein Stallbursche saß neben dem in eine Livree
gekleideten Kutscher und Mrs. Sinclair
gegenüber ein junges Mädchen, allem Anschein nach eine Zofe. Die ein wenig zur
Fülle neigende Blanche mit ihrem rotbraun glänzenden Haar, das eine Haube nach
der neues ten Mode bedeckte, war dreißig, wirkte aber mit ihren markanten Grübchen und dem spitz
zulaufenden Kinn um einiges jünger. Sie war sehr reich, dank ihres Mannes, der
geschickt in Kupfer und Silber, Spedition und Wolle investiert hatte. Sein Tod,
ausgelöst durch einen Sturz, hatte sie gut versorgt zurückgelassen. Blanche
verstand es, ihr Erbe mit einem ausgeprägten Geschäftssinn zu verwalten, Mitgiftjäger
zu durchschauen, und schien über einen größeren Freundeskreis zu verfügen als
Australien an Eukalyptusbäumen aufwies.
»Ich war
gerade bei dir«, sagte Blanche unter ihrem rosafarbenen Sonnenschirm. »Mrs. Sparrow sagte, du seiest heute Morgen von auswärts zurückgekommen und gleich
wieder losgefahren. Ich dachte, du hättest etwas dagegen, deine Patientinnen
ins Hospital einzuweisen.«
»Nicht ich
habe sie hergebracht, sondern Freunde von ihr.«
»Du wirkst
bekümmert, Hannah. Sorgst du dich um deine Patientin?«
»Ich
vermute bei ihr Kindbettfieber, und ja, ich mache mir große Sorgen. Und obwohl
Dr. Iverson bereits die notwendigen Vorsichtsmaßnahmen einleitet, bleibt mir
nur zu hoffen, dass sich die Krankheit nicht ausbreitet.«
Blanche
riss die Augen auf. »Du hast mit Marcus gesprochen?«
Das
Aufblitzen eines Hoffnungsschimmers entging Hannah keineswegs, und da sie
wusste, was die Freundin für den angesehenen Arzt empfand, hätte sie ihr gern
etwas Positiveres berichtet. »Er hat mich zunächst gar nicht erkannt. Es war
ja auch das erste Mal, dass ich ihn nach unserer Begegnung in deinem Haus
letztes Jahr gesehen habe. Als ich ihn auf das Treffen damals hinwies,
erinnerte er sich wieder an mich.«
Blanche
errötete. »Hat er sich zum Ball heute Abend
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