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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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sie bohrte die Finger in
Neals Nacken und klammerte sich wie an einem Rettungsring an ihm fest.
    Als eine
gigantische Welle die Caprica längsschiffs
traf und sie sich so auf die Seite legte, dass man sich auf ihr Kentern gefasst
machen musste, zog Hannah Neals Nacken zu sich. Er neigte den Kopf. In der
furchterregenden Dunkelheit fanden sich ihre Lippen zu einem langen Kuss, der
voller Leidenschaft war, voller Angst und einer letzten, verzweifelten
Hoffnung, am Leben zu bleiben.
     
    5
     
    »Land in
Sicht, Kapitän. Fremantle querab voraus.«
    »Danke,
Mister James. Voll und bei, Mr. Olson«, wies Kapitän Llewellyn den Steuermann an.
    »Aye aye, Kapitän.«
    Passagiere
sowie Offiziere und diejenigen der Mannschaft, die nicht im Einsatz waren,
fanden sich an Deck ein. Schweigen lag über dem Schiff. Sie und die Caprica hatten das Unwetter überlebt, aber die Erinnerung an jene
Nacht vor einigen Wochen würde sie ein Leben lang begleiten.
    Zum
Morgengrauen des darauffolgenden Tages hatte sich der Sturm gelegt. Die Sonne
war durch die Wolken gebrochen und hatte ihre Strahlen auf eine schwer
beschädigte, aber, wie Kapitän Llewellyn feststellte,
weiterhin seetüchtige Caprica gerichtet,
weshalb er Befehl gegeben hatte, Kurs auf Kapstadt zu nehmen, um dort
Instandsetzungsarbeiten durchführen zu lassen. Als Nächstes waren die
Auswanderer an Deck gebracht worden, erst um auf den durchweichten Planken
niederzuknien und ein Dankesgebet zu sprechen, dann um gezählt zu werden.
Sechs waren bei dem Sturm ums Leben gekommen, darunter zwei Kinder. Von der
Mannschaft waren acht über Bord gespült worden, während die Offiziere
vollzählig antraten, wenngleich einige verletzt.
    Der
Matrose, für dessen Rettung Caleb Merriwether sein Leben riskiert hatte, hatte
das Inferno mit lediglich einem Kratzer am Kopf überlebt.
    Und jetzt
lag die Westküste Australiens vor ihnen, strahlend und lockend wie ein
Leuchtturm der Hoffnung.
    Hannah,
die im hellen Sonnenschein an der Reling stand, dachte zurück
an die Stunden, die sie mit Neal Scott in ihrer Kabine verbracht hatte. Er
hatte sie umfangen gehalten, und auch wenn sie mit jedem Atemzug gemeint hatte,
es wäre ihr letzter, hatte sie seine Wärme und Stärke gespürt. Und sie dachte
daran, wie sie sich geküsst hatten; es war ein Kuss gewesen, der eine Ewigkeit
zu währen schien.
    Zu einem
weiteren Kuss war es nicht gekommen, weder während des Sturms noch danach.
Beide hatten kein weiteres Wort darüber verloren. Jeder von ihnen musste diese
eine Nacht für sich verarbeiten, sich über seine Gefühle Rechenschaft ablegen
und über die neue Situation klar werden. Denn seit jener Nacht war sowohl mit
Neal wie auch mit Hannah eine Veränderung vor sich gegangen.
    Neal
Scott, der neben Hannah stand, beobachtete, wie sich am Horizont zunehmend
deutlicher die Küste Westaustraliens abzeichnete. Auch seine Gedanken kreisten
immer wieder um die Nacht, da er Hannah in den Armen gehalten hatte. Der lange
Kuss, den sie getauscht hatten, war von Begehren und gleichzeitiger Verzweiflung
erfüllt gewesen, sie hatten sich im Bewusstsein des nahen Todes
aneinandergeklammert, und dann war es doch anders gekommen. Dass sich jetzt
ihre Wege trennen würden, machte ihm zu schaffen. Er wollte mit Hannah
zusammenbleiben. Aber das ging nicht; er musste von Bord, während sie
weiterfuhr.
    Er wollte
ihr so viel sagen, aber seit jener Nacht hatte sich keine Gelegenheit für ein
Gespräch unter vier Augen ergeben. Das Unwetter hatte Hannahs Kabine derart verwüstet, dass sie notgedrungen bei Mrs. Merriwether eingezogen war und der Reverend von nun an mit Neal die
Kabine teilte. Auf dem Schiff hatte emsige Betriebsamkeit eingesetzt, es wurde
gehämmert, gesägt und Teer gekocht. Neal und andere körperlich einsatzfähige
Aussiedler hatten mitgeholfen, die angeschlagene Caprica auf ihrem Weg nach Kapstadt zu reparieren. Hannah hatte
ebenfalls alle Hände voll zu tun, sie half Dr. Applewhite bei der Versorgung
von Wunden, bei der Behandlung von Infektionen und hysterischen Ausbrüchen.
Einzig während der Mahlzeiten verbrachten Neal und Hannah ein paar gemeinsame
Minuten, wenngleich in Gesellschaft anderer. Dann warfen sie sich über den
Tisch bedeutungsvolle Blicke zu, und das Verlangen, das in der Sturmnacht
erwacht war, flackerte erneut zwischen ihnen auf.
    Auch die
anderen Passagiere belagerten die Reling und verfolgten in andächtigem
Schweigen, wie das Festland immer näher kam und wie allmählich das

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