Wood, Barbara
denken,
wie viele Fleischkuchen du dir für diese sechs Pence kaufen kannst. Nach einer Weile bist du zu allem bereit, was so ein
Kerl von dir verlangt, solange du danach was zu essen und ein Dach über dem
Kopf hast.«
Sie kehrte
wieder in die Gegenwart zurück. »Ist das nicht genau das, worum es in der Ehe
geht?«
»Darüber
habe ich noch nie nachgedacht«, gestand Hannah ein.
»Und was
Glücklichsein anbelangt, nun, alle meine Mädchen hier sind glücklich. Es steht
ihnen frei, jederzeit zu gehen, aber sie wollen nicht.« Lulu schob sich
abermals eine gezuckerte Mandel in den Mund, fuhr sich gleich darauf mit der
Hand an die Backe. »Haben Sie was gegen Zahnschmerzen?«
»Nelkenöl.«
»Und gegen
einen juckenden Ausschlag?«
»Eine
Salbe aus Lammfett und Kampfer wirkt bei den meisten Ausschlägen Wunder. Beides
können Sie sich beim Apotheker in der Stadt besorgen.«
Lulus
kleine scharfe Augen musterten Hannah, von der lavendelfarbenen Haube bis
hinunter zu den staubigen Schuhen. »Sie verstehen demnach sehr viel von
Heilmethoden und Arzneien und so was? Auch darauf, Schnittwunden und Ähnliches
zu nähen?«
»Auch
das.«
Gedankenvoll
rieb sich Lulu das Kinn. »Doktor Young, der sich
laut Alice jetzt nach Sydney in den Ruhestand verabschiedet hat, war der
einzige Arzt, der bereit war, hier rauszukommen, wenn meinen Mädchen was
fehlte. Alle anderen sind sich zu fein dazu. Was würden Sie von dem Vorschlag
halten, Miss Conroy, mit mir eine Vereinbarung zu treffen? Dass ich zum
Beispiel bei Bedarf nach Ihnen schicken kann? Ich werde Sie für Ihre Bemühungen
gut bezahlen. Gelegentlich kommt es bei uns zu normalen Erkrankungen,
hauptsächlich aber sind es Unfälle. Sie würden nicht für möglich halten, was da
so alles passiert.«
Hannah
überlegte. Wenn sich der Vater nicht davon hatte abhalten lassen, in einem
freizügigen Etablissement an der aus Bayfield herausführenden
Straße vorstellig zu werden, dann galt Gleiches auch für seine Tochter. »Wenn
ich helfen kann, komme ich gern. Ich wohne in Mrs. Throckmortons Privatpension in der Gray Street.«
Lulu hob Dr.
Applewhites Fläschchen hoch. »Und wo kann ich dieses Riechsalz
bekommen?«
»Bitte
behalten Sie es. Ich kann mehr davon herstellen.«
»Sie schenken mir das? Kostenlos? Lassen Sie mich Ihnen etwas
sagen, Schätzchen.« Lulu hob ihre Massen leicht an und furzte genüsslich.
»Verschenken Sie nichts, was Sie ebenso gut verkaufen können. Dies ist die
Regel, die in diesem Haus gilt und die mich reich gemacht hat. Ihr Riechsalz
ist sehr wirkungsvoll. Etwas Ähnliches dürfte in der ganzen Kolonie nicht
aufzutreiben sein. Mr. Krüger führt ein derart starkes Mittel jedenfalls nicht.
Ich rate Ihnen: füllen Sie das in Flaschen ab und verkaufen Sie's, dann sind
Sie auch bald reich.«
Lulu
deutete auf die geschlossene Tür, durch die Musik zu hören war. »Männer wie
die da draußen, die jetzt kostspielige Klamotten tragen, teuren Champagner
trinken und Spitzenpreise für meine Mädchen zahlen, sind, wenn sie hier an Land
gehen, arme Schlucker. Aber es dauert nicht lange, und sie kaufen fünfhundert
Morgen Land, züchten Schafe oder Vieh und werden so reich, dass ihnen die
Hosennähte platzen. Das ist es, weshalb alle nach Australien kommen. Sie wären
dumm, Schätzchen, diese Chance nicht zu ergreifen.«
Hannah
erkundigte sich nach dem Grund für Alices entstelltes Gesicht. »Das arme Kind«,
sagte Lulu. »Als sie zwölf war, brach eines Nachts Feuer auf ihrer Farm aus.
Die ganze Familie kam dabei um, nur Alice wurde von einem Arbeiter gerettet.
Sie war zwischen herabgestürzten Balken eingezwängt, und ihr Retter zerrte sie
mit Gewalt drunter hervor, ohne zu wissen, dass ihr Haar eingeklemmt war.
Dadurch wurden ihr ein Teil ihrer Kopfhaut und das Ohr abgerissen. Der Grobian
brachte sie zu Nachbarn, die sie gesund pflegten und ihr sogar anboten zu
bleiben und als Gegenleistung für sie zu arbeiten. Aber dann stellte sich
heraus, dass Alice eine panische Angst vor Feuer entwickelt hatte. Sie konnte
weder eine Lampe anzünden noch sich in die Nähe eines Herds oder Kamins
begeben, ohne einen hysterischen Anfall zu bekommen. Da die Leute kaum genug
für sich selbst hatten, konnten sie nicht auch noch ein Mädchen durchfüttern,
das nichts zum eigenen Lebensunterhalt beitrug. Sie wurde in die Stadt gebracht,
wo sich eine Wohlfahrtsorganisation für Waisenkinder darum bemühte, sie als
Haushaltshilfe zu vermitteln, aber wegen ihrer panischen
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