Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
Vom Netzwerk:
veränderten. »Ach so«, wiederholte er, ohne sie aus den
Augen zu lassen und als hätte er plötzlich etwas Neues erfahren und bemühte
sich, dies zu verstehen und zu akzeptieren.
    »Nochmals
vielen Dank, dass Sie den Hund verscheucht haben«, sagte sie und schaute nach
rechts und links, um so geschickt wie möglich an ihm vorbeizukommen. Sein
freimütiger Blick, der anfangs amüsiert und neugierig gewesen, jetzt aber ernst
geworden war, jagte Hannah kurz einen Schreck ein. Konnte ihr dieser Mann
gefährlich werden?
    Die
Kolonie Adelaide war das Tor zu den unendlichen Weiten im Landesinneren. Gleich
Heuschreckenschwärmen machten sich Glücksritter aus der ganzen Welt auf, um
nach Opalen, Gold, Diamanten und selbst nach dem verlorenen Schatz König Salomons zu suchen. Noch war man nicht auf Goldadern oder Opale gestoßen, aber
die Gerüchte, die sich um ihr Vorhandensein rankten, übten eine mächtige
Sogwirkung aus. Umso mehr als Kupfer und Silber bereits entdeckt worden waren
und auf weitere Reichtümer jenseits von Adelaide schließen ließen. Somit war
diese Grenzstadt mit ihren achttausend Seelen nicht nur Ausgangspunkt für
Forscher, Visionäre und Goldsucher geworden; hier wimmelte es auch von Männern
und Frauen, die darauf aus waren, schnell viel Geld zu scheffeln - Wahrsager,
Schwindler, Abzocker, Spieler und Betrüger sowie die übliche Schar kleiner
Gauner wie Taschendiebe und Brieftaschenräuber.
    Vielleicht
gehörte dieser Fremde zu den Letztgenannten. Umso überraschter war sie, als er
von einem Busch in der Nähe eine Rose pflückte und sie ihr überreichte. »Die Aborigines sagen, dass Blumen von ihren Ahnen in der Traumzeit erschaffen wurden,
also vor langer, langer Zeit. Die Ahnen verfügten über magische Kräfte, und
alles, was sie taten oder dachten, nahm unwillkürlich Gestalt an. Es heißt,
dass jedes Mal, wenn ein Ahne lachte, eine Blume entstand. Und weil die
Menschen im Frühjahr häufiger lachen, gibt es im Frühjahr auch mehr Blumen. So
jedenfalls heißt es bei den Schwarzen.«
    Jamie
O'Briens Akzent faszinierte sie. In dieser Kolonie kamen
Einwanderer aus dem gesamten britischen Königreich zusammen, so dass man jede
Menge Akzente hörte, vom Queen's English bis Cockney, außerdem irische und schottische Dialekte sowie die gelegentlich
unverständliche Sprache der Waliser. Jetzt kam für Hannah ein neuer Akzent
hinzu, der ihr vorkam wie ein Gemisch aus all den anderen und der von den
wenigen gesprochen wurde, die hier geboren waren. Ihr Retter war also
höchstwahrscheinlich kein Glücksritter, kein Neuankömmling, sondern hatte hier in
Australien das Licht der Welt erblickt. Und das war in der Kolonie eine
Seltenheit.
    Mit einem
Mal strahlte der Abend einen eigenartigen Zauber aus. Die Luft war im Gegensatz
zu den Sommernächten in England sehr warm. Hannahs Mieder war
eng und zwängte sie ein, Unterröcke und Reifrock behinderten sie. Sie dachte an
die Südsee-Zwillinge, die in ihren Baströckchen die Gäste in Miss Forchettes
Salon unterhielten.
    Die Nähe
des Fremden, der sie unverhohlen musterte, verursachte ihr heftiges
Herzklopfen. Nein, ein Gentleman war er nicht. Und doch schien er zu dieser
Nacht, in diese Umgebung zu passen. Erregung lag in der Luft, und sie ging auch
von ihm aus.
    »Ich muss gehen«, flüsterte sie. Ihre Kehle war wie zugeschnürt, sie musste
förmlich nach Luft ringen. Du hast nur Angst, sagte sie sich. Was denn sonst?
    Er starrte
sie weiterhin an, dann kehrte sein Lächeln zurück, grub zusätzliche Fältchen in
sein markantes Gesicht. Er trat beiseite, tippte an seinen Hut. »War mir ein
Vergnügen, Sie kennenzulernen, Miss Hebamme. Ich hoffe sehr, dass wir uns mal
wieder begegnen.«
    Damit
schlug Jamie O'Brien den Weg
zum Haus von Lulu Forchette ein, und Hannah hörte den Kutscher rufen: »Miss?
Alles in Ordnung mit Ihnen?«
    Der Zauber
war verflogen.
     
    7
     
    »Da ist
sie ja!« Mit dem Ellbogen knuffte Ida Gilhooley ihren Mann in die Seite. »Da,
Miss Conroy. Sie geht zur Post, genau wie ihre Zimmerwirtin gesagt hat.«
    Walt
Gilhooley spuckte vom Planwagen aus einen Strahl Tabaksaft auf die vom
Herbstregen aufgeweichte Straße. »Das gefällt mir nicht, Ida. Wir sollten
lieber ohne sie fahren. Wenn Miss Forchette dahinterkommt ...«
    »Dieses
Walross kann mich mal.« Obwohl die rundliche Ida panische Angst vor Lulu
Forchette hatte, reckte sie trotzig das Kinn. Noch mehr Angst allerdings hatte
Lulus Chefköchin, eine Frau mittleren Alters, davor, was

Weitere Kostenlose Bücher