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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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wir sollten Sie wegen
einer solchen Lappalie nicht belästigen. Aber Alice stöhnt, Miss, und sie klagt
über Übelkeit. Deshalb hab ich der Chefin vorgeschwindelt, in unserem Mehl
wären Rüsselkäfer. Sonst hätten Walt und ich nicht in die Stadt kommen können. Sie weiß jedenfalls nicht, dass wir Sie zu Alice holen. Wenn sie's
rausfindet, kriegt sie garantiert einen Tobsuchtsanfall. Aber weil's Alice so
schlecht ging, konnten wir das einfach nicht länger mit ansehen.«
    Hannah
kletterte in den Planwagen. »Was heißt >nicht länger    Ida nahm
neben ihr Platz, und als alle drei nebeneinander relativ bequem auf der
Kutschbank saßen, nahm Walt die Zügel auf. »Einfach unglaublich, wie diese Frau
mit den Mädchen umspringt«, sagte Ida. »Hält sie sich als Sklaven und
behandelt manche von ihnen geradezu sträflich.«
    Hannah
warf ihr einen verwunderten Blick zu. »Ich dachte, die Mädchen seien dort
glücklich.«
    »Von
wegen.« Und während sich ihr Ehemann mit dem Planwagen in den lebhaften
Verkehr auf der King William Street einfädelte, wurde sie deutlicher. »Lulu
fährt mit ihrer Kutsche die Straßen auf und ab und hält Ausschau nach
Bettlerinnen. So jung wie möglich sollen sie sein, dann kann sie davon
ausgehen, dass sie noch nix mit Männern hatten und nicht die französische
Krankheit haben. Anfangs gibt sich Lulu freundlich, bietet ihnen ein Zimmer an
und warme Mahlzeiten. Und schon nach wenigen Tagen bittet sie sie, einen
>Freund< zu unterhalten. Alles Weitere wissen Sie ja.«
    Hannah
spürte, wie sich ihr Magen verkrampfte. Was Ida da behauptete, konnte unmöglich
wahr sein! »Aber den Mädchen steht doch frei, jederzeit zu gehen.«
    »Lulu
verlangt von ihnen, dass sie für ihr Zimmer und die Verköstigung bezahlen. Sie
führt genau Buch darüber. Sie müssen ihre Schulden abstottern, und Lulu
richtet's schon so ein, dass sie nie genug Geld sparen können, um alles zu
begleichen. Auch Walt und ich stehen bei ihr in der Kreide. Oder glauben Sie,
wir würden freiwillig dort arbeiten? Lulu hat uns ausgetrickst, so wie sie
alle austrickst. Unsere kleine Farm war von einer Dürre betroffen, und die
Bank drohte, sie uns wegzunehmen. Lulu bot uns ein Darlehen an, und wir griffen
zu. Schon nach wenigen Monaten bestand sie auf Rückzahlung. Wir konnten nicht,
also kassierte sie unsere Farm und zwang uns dann, für sie zu arbeiten, bis
alles beglichen wäre. So geht sie vor. Sie macht Jagd auf Leute, die in
Schwierigkeiten sind, spielt sich als Retterin auf und verschafft sich auf
diese Weise kostenlose Arbeitskräfte.«
    »Und
Alice?«
    »Ich weiß
nicht, was ich davon halten soll, Ida, hinter Lulus Rücken ...«, meldete sich
Walt unvermittelt. »Man darf gar nicht dran denken, wozu diese Frau imstande
ist, wenn sie in Wut gerät.«
    »Fahr zu,
Walt«, gab Ida unbeirrt zurück. »Ich hab eine Schwäche für Alice. Sie singt
wie ein Engel, und für mich ist Schluss mit ...«
    Sie
beendete den Satz nicht, weshalb Hannah sie fragend ansah: »Schluss womit, Mrs. Gilhooley?«
    Aber Ida
presste die Lippen zusammen und starrte auf den Verkehr.
    Da die
Fahrt noch gut und gern dreißig Minuten dauern würde, richtete sich Hannah
zwischen Walt und Ida so gut wie möglich ein, immer darauf achtend, dass ihre
blaue Teppichtasche sicher auf ihrem Schoß blieb. Molly Baker, die ebenfalls bei Mrs. Throckmorton wohnte,
hatte ihr vorgeschlagen, diese Tasche gegen eine modernere einzutauschen, aber
das kam für Hannah nicht in Frage, selbst dann noch nicht, als sie sich neu
eingekleidet hatte. Da es Mai geworden war und der Winter vor der Tür stand,
hatte sie ein hochmodisches Ensemble erstanden, mit einem Miederjäckchen über
einer hochgeschlossenen Bluse, das, wenn aufgeknöpft, den Blick auf eine
angedeutete Weste freigab (ein schneiderischer Trick, war es doch undenkbar,
dass eine Dame eine richtige Weste trug). Die Ärmel waren sehr weit und mit
weißer Spitze unterlegt, und wenn Hannah über die Holzplanken des Bürgersteigs
ging, raschelte der girlandenartig mit Rüschen eingefasste Muschelsaum. Alles -
von der Haube bis zu den Stiefeln - in den Farben des Herbstes aufeinander
abgestimmt: rotbraun, dunkelgelb, bronzefarben.
    Da die
King William Street zwar breit war, aber keinen Schotterbelag aufwies,
spritzte infolge des dichten Verkehrs mit den vielen Planwagen und Karren,
Fuhrwerken und Einspännern, offenen oder geschlossenen Kutschen, den Reitern
und nicht zuletzt einem von vier Pferden

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