Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
Vom Netzwerk:
gezogenen Omnibus für sechzehn
Passagiere, jede Menge Dreck auf. Die Bürgersteige hingegen, die aus hölzernen
Planken bestanden, erlaubten es Fußgängern, ungehindert an Geschäften
vorbeizuschlendern, einen Blick in die Schaufenster von Imbissstuben und
Bäckereien zu werfen, in Banken und Kurzwaren- und Textilgeschäfte, in
Teestuben, Lokale, Apotheken und Schneiderateliers. Adelaides breiteste
Nord-Süd-Tangente bot einen Mischmasch verschiedenster Bauwerke, dreistöckige
Geschäftshäuser aus rotem Backstein lösten sich mit kleinen Holzhäusern und
sogar Bretterbuden ab.
    Bei ihrer
Ankunft hatte Hannah erstaunt zur Kenntnis nehmen müssen, dass Adelaide eine auf dem Reißbrett entworfene Stadt war. Sie hatte geglaubt,
dass alle Städte so wie London seien, also vor langer Zeit aus dem Nichts
entstanden wären und sich dann wahllos nach allen Richtungen hin ausgebreitet
hätten. In dieser Ebene hier war man dagegen planmäßig vorgegangen, hatte ein
Netz von breiten, schnurgeraden Straßen angelegt, den Grund und Boden in Parzellen
aufgegliedert und im Zentrum Raum für einen großen Platz geschaffen, der nach
Königin Victoria benannt wurde, sowie für vier kleinere Parks mit Grünflächen
und Bäumen. Das Flachland und die Hügel in der weiteren Umgebung dagegen hatten
sich im Laufe der Jahre in einen Gürtel von Getreidefar men, Weingärten und Schafweiden verwandelt. Näher zur Stadt hin gab es zwei
Getreidemühlen, Handwerks- und Metallbetriebe, eine Brauerei, mehrere
Schnapsbrennereien, einen Kerzenzieher und Schlachthöfe, die ihre Abfälle in
den Fluss kippten.
    Dass
Adelaide so jung war, erstaunte Hannah nicht minder. Das Gasthaus in Bayfield bestand seit vierhundert Jahren, die älteste Kneipe hier hingegen seit
gerade einmal zwölf. Und die Gegend um Bayfield war seit
prähistorischen Zeiten durchgehend besiedelt, während die ersten weißen
Siedler bei ihrer Ankunft in Südaustralien lediglich eine Handvoll Aborigines angetroffen hatten, die inzwischen irgendwohin umgesiedelt worden
waren.
    Endlich
hatten Hannah und die Gilhooleys den dichten Verkehr hinter sich gelassen und
befanden sich auf einer angenehm zu befahrenden Landstraße. Die Stimmung der
drei in dem Planwagen war indes alles andere als gut. Hannah bemerkte, wie
finster Walt jetzt dreinschaute und dass sich Idas Hände ineinander
verschlangen. Während der halbstündigen Fahrt hatte keiner ein Wort geäußert.
Hannah selbst war aufs Höchste besorgt, war ihr doch in den letzten drei
Monaten Lulus Dienstmädchen sehr ans Herz gewachsen.
    So sehr,
dass sie jedes Mal, wenn sie gerufen wurde, auch Alice aufsuchte, um ein wenig
mit ihr zu plaudern und sie dann zu bitten, ein Liedchen zu singen - nur für
das Personal und nur in der Küche, wusste sie doch, wie unglaublich scheu Alice
war und dass sie für niemanden sonst oder irgendwo anders im Haus sang. Es war
eine Freude mitzuerleben, wie Alice aus sich herausging, wenn sie für ihre
kleine Schar von Zuhörern ein Lied vortrug, wie sie ihre kornblumenblauen Augen
schloss, das Kinn reckte und zu glockenreinen Tönen für ihre schweigenden
Bewunderer anhob. Jedes Mal war Hannah aufs Neue von bittersüßen Gefühlen
durchdrungen, denn die Balladen, die Alice sang, brachten Erinnerungen an Bayfield und ihren Vater zurück, an ihr Häuschen und auch an ihre Mutter, bei
deren Tod Hannah dreizehn gewesen war.
    Als sie
einmal Alice gegenüber erwähnt hatte, wie sehr ihre Stimme andere bewegte,
hatte Alice verlegen gemeint: »Vor dem Feuer wusste ich gar nicht, dass ich
eine schöne Stimme besitze. Erst danach, als ein Nachbar mich gesund pflegte.
Meine Schmerzen und mein Kummer waren so groß, dass ich lange Spaziergänge
unternahm, dorthin, wo ich allein war. Eines Tages lauschte ich dem Gesang der
Vögel, und ihr Zwitschern machte mich so fröhlich, dass ich ebenfalls meine
Stimme erhob. Ich sang einfach drauf los, und sofort merkte ich, wie gut mir
das tat. Seither muss ich immer
vor mich hin singen. Wenn ich das nicht könnte, würde ich sterben.«
    Wie
schade, überlegte Hannah, dass Alice wohl niemals professionell würde singen
können, dass diese herrliche Stimme der Welt draußen vorenthalten wurde. Es
ging einfach nicht. Wegen ihres entstellten Gesichts.
    »So, da
wären wir«, sagte Walt, als das wohlbekannte Haus in Sicht kam.
    Ida
Gilhooley führte Hannah in einen an die Küche grenzenden kleinen Raum, in dem
man Alice auf ein Strohlager gebettet hatte. Das Mädchen ächzte und

Weitere Kostenlose Bücher