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Wood, Barbara

Wood, Barbara

Titel: Wood, Barbara Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dieses goldene Land
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betroffener Bürger unterzeichnet waren - und
entdeckte, was ihr in der Arztpraxis nicht aufgefallen war: Die Handschrift war
eindeutig die von Lulu.
    »Ja, du
kannst mitkommen, Alice«, sagte sie und hob das eine Ende ihres Koffers an,
woraufhin Alice nach dem anderen griff. »Es wird alles gut, wart's nur ab.«
    Sie
schafften es bis zur nächsten Ecke, wo Kutschen und Planwagen ein Überqueren
der Straße unmöglich machten, als zwei braungebrannte Männer hoch zu Ross in staubiger Arbeitskleidung und Schlapphüten »Hey, meine Damen!«
riefen, sich zu Hannahs Überraschung
aus dem Sattel schwangen und ihnen, nicht ohne sich zuvor an die Hutkrempe zu
tippen, den schweren Koffer abnahmen. Alice bedachten sie mit einem schrägen
Blick, grinsten dann Hannah an. »Wo soll's denn hingehen, Miss?«
    Die beiden
Frauen folgten den unbekannten Helfern mehrere Straßenzüge weit, bis sie ein
bescheidenes Hotel erreichten, mit einem am Fenster angebrachten Schild, auf
dem »Weibliche Gäste nur in Begleitung« stand.
    Hannah
wollte den beiden Männern etwas Geld zustecken, aber sie winkten nur ab, und
als sie ihnen nachschaute, wie sie sich auf den Rückweg zu ihren Pferden
machten, fiel ihr ein barfüßiger kleiner Junge in zerlumpten Kleidern auf, der
in schludriger Manier die Backsteinwand des Hotels mit Plakaten
vollpflasterte.
    Eines war
wie das andere: die aktuelle Titelseite des Adelaide Clarion. Der Leitartikel befasste sich mit
der beunruhigenden Nachricht aus Westaustralien, einem Aufstand der Aborigines in der Nähe von Perth, bei dem nach neuesten Informationen Kolonialsiedler
abgeschlachtet und Missionare massakriert worden waren.
    Darunter
stand, dass ferner das Schiff mit einer von der Regierung zur Erkundung der
Küste entsandten Gruppe von Wissenschaftlern in einer entlegenen Bucht
überfallen worden war - und es Tote gegeben hatte.
     
    9
     
    Alice
hatte in der vergangenen Nacht wieder von
dem Feuer geträumt. Zum vierten Mal, seit sie nicht mehr bei Lulu war. Davor
hatte sie nicht ein einziges Mal der Traum von diesem Feuer heimgesucht, dem
Eltern und Geschwistern zum Opfer gefallen waren und das nur sie überlebt
hatte. Warum?, grübelte sie über ihrem Morgentee, ehe sie, schließlich war
heute Sonntag, zu einem Spaziergang aufbrechen wollte. Warum hatte sie in den
vergangenen acht Jahren nicht von dem Feuer geträumt, nicht mal daran gedacht,
nur damit sich jetzt die Erinnerung daran umso stärker wieder aufdrängte, mit
so vielen Einzelheiten, dass sie schweißgebadet aufwachte?
    »Tut mir
leid, Miss, aber das kommt für mich nicht in Frage«, lehnte sie ruhig, aber
nachdrücklich Hannahs Vorschlag
ab, ihr entstelltes Gesicht zu schminken. »Lulu bemalt sich das Gesicht und
zwingt ihre Mädchen, das Gleiche zu tun. Ich möchte nicht so aussehen wie sie.«
    Hannah
musterte Alice nachdenklich. Ein wenig Puder würde das Mädchen in ein
bildhübsches Geschöpf verwandeln. Es war ein kühler Herbstmorgen im Mai, und
die beiden beendeten in dem Zimmer, das sie sich im Torrens Hotel in der King
William Street teilten, gerade ihr Frühstück. Ungeachtet dessen, dass Hannah
Alice gebeten hatte, sie mit ihrem Vornamen anzusprechen, blieb Alice beim
eingefleischten »Miss«. Was andererseits von Vorteil war, denn um ein
Hotelzimmer zugewiesen zu bekommen, hatten sie sich als Dame in Begleitung
ihrer Zofe ausgeben müssen; alleinreisende Frauen wurden nicht akzeptiert.
    Seit sie
notgedrungen Mrs. Throckmortons
Privatpension verlassen hatten, war eine Woche vergangen. Alices Wunden
heilten ab; es wurde für sie Zeit, sich nach einer Arbeit umzusehen. Allerdings
stand zu vermuten, dass Alice die gleichen Probleme wie vor Antritt ihrer
Stellung bei Lulu bekommen würde: Keiner wollte einen Dienstboten mit einem von
Narben übersäten Gesicht. Und Hannahs Vorschlag,
diesem Problem mit Hilfe von Kosmetika zuvorzukommen, stieß bei Alice auf
Ablehnung.
    »Du bist
wirklich hübsch«, sagte Hannah. »Du hast schönes blond gelocktes Haar, blaue
Augen. Von der rechten Seite aus ist dein Profil und deine Haut makellos. Wenn
wir die linke Seite etwas abdecken ...« Als sie daraufhin den trotzigen
Ausdruck auf dem Gesicht ihres Gegenübers bemerkte, griff sie zu einer List.
»Pass auf, ich zeig dir was.«
    Sie wollte
dem Mädchen irgendwie helfen. Die Reaktion von Fremden beim Anblick ihres
verunstalteten Gesichts konnte verletzend, ja sogar grausam sein. Wo immer
Alice sich blicken ließ, erweckte sie Neugier, Mitleid oder

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