Wood, Barbara
war, Sir Reginald zu
begleiten. Mein Brief wäre gleichzeitig mit mir angekommen! In den letzten drei
Wochen war ich damit beschäftigt, Proviant und Instrumente zu besorgen;
außerdem habe ich einen Planwagen gemietet sowie einen Assistenten angeworben
und bin mehrmals in Sir Reginalds Basislager im Norden gefahren. Und heute ist
es soweit, dass ich Adelaide verlassen muss, da die
Expedition in Kürze aufbricht und Sir Reginald nicht länger auf mich warten
kann. Ich nehme an, mit etwas Glück vor Jahresfrist zurück zu sein. Sir
Reginald rechnet damit, dass wir an guten Tagen dreißig Meilen zurücklegen,
ansonsten vielleicht zehn. Wo wir anhalten, werden wir fotografische Aufnahmen
machen, das Gelände sondieren, Karten zeichnen und Informationen sammeln.
Perth ist dreizehnhundert Meilen entfernt, wir könnten es in sechs Monaten,
vielleicht auch früher erreichen. Wir werden uns also noch vor Weihnachten
wiedersehen. Passen Sie gut auf sich auf, liebste Hannah. Ich bewahre Sie in
meinem Herzen.«
Als der
gutaussehende Amerikaner in seinem weißen Leinenanzug und Panamahut das Hotel
verließ, rief Liza Guinness
nach Ruth, ihrer älteren Tochter, und trug ihr auf, den Empfangstresen zu
übernehmen, sie selbst müsse mit Edna rasch
hinüber in den Laden für Futtermittel, um Mrs. Gibney zu berichten, was sich soeben ereignet hatte.
Im
Vorgarten hielt Neal nochmals inne, spähte in alle Richtungen. Wie konnte das
Schicksal nur so grausam sein und es offenbar immer wieder einrichten, dass er
und Hannah nicht zusammenkamen?, dachte er frustriert. Da von ihrem Einspänner
weit und breit nichts zu sehen war und sie demnach noch im Barossa Valley
weilte, stieg er auf sein Pferd und schlug die Straße in Richtung Süden ein,
nach Adelaide.
Hannah
fuhr in den an das Hotel angrenzenden Hof, wo ihr ein Diener aus dem Einspänner
half. Im Foyer wurde sie von Ruth Guinness begrüßt und willkommen geheißen, und
gleichzeitig händigte das junge Mädchen ihr die Post aus dem Fach aus und mit
der Bemerkung »Mum sagte, der war eben für Sie gekommen« zusätzlich einen
verschlossenen Umschlag.
Hannah
nahm alles dankend entgegen und schleppte sich, während sie überlegte, ob sie
erst Wasser für ein Bad oder einen Tee heiß machen sollte, hinauf in ihr
Zimmer. Sie stellte ihre Teppichtasche ab, entledigte sich ihrer Haube und des
kurzen Capes, löste ihr Haar und schüttelte es, bis die schwarzen Flechten ihr
über Schultern und Rücken fielen. Als sie daran ging, die Knöpfe ihres Mieders
zu öffnen, warf sie gleichzeitig einen Blick auf ihre Post. Zwei Briefe von Alice. Ein paar nette Zeilen von Ida Gilhooley,
mit der Hannah in Verbindung geblieben war. Eine Information von Mr. Krüger,
dem Apotheker in Adelaide, über neue Produkte. Und zwei Umschläge, die zu Lizas Briefpapier gehörten.
Sie
krauste die Stirn. Weder Poststempel noch Adresse auf die sen beiden. Lediglich beschriftet mit Miss Hannah Conroy. Als sie die Handschrift erkannte,
riss sie den ihr mit der Bemerkung »Mum sagte, der
war eben für Sie gekommen« ausgehändigten Umschlag auf, und
kaum hatte sie die ersten Worte gelesen, raffte sie ihre Röcke und eilte nach
unten.
»Der
Gentleman, der den Brief hinterlassen hat«, sagte sie atemlos zu der verdutzten
Ruth Guinness, »wohin ist er gegangen?«
»Ich ...«
Mit
wehendem Haar rannte Hannah bereits hinaus ins Freie, vorbei an zwei verdutzten
neuen Gästen. Als sie die Straße erreichte, machte sie Neal in einiger
Entfernung vor sich aus. »Neal!«, rief sie.
Er
reagierte nicht.
Hannah
hetzte ihm nach.
»Neal!«,
schrie sie, so laut sie konnte. »Neal, stehen
bleiben!«
Die
kastanienbraune Stute trabte verhalten weiter. Hannah mobilisierte die letzten
Reserven ihres erschöpften Körpers, schrie immer wieder Neals Namen, lenkte die
Aufmerksamkeit der Männer in der Schmiede und eines Fußgängers, der mit einem
Schäferhund unterwegs war, auf sich.
Zusehends
größer wurde der Abstand. Gleich würde Neal den Punkt erreichen, wo die Straße
einen Bogen beschrieb, und alsbald von Bäumen verdeckt sein.
Hannah
rannte weiter. Stolperte. »Neal!«
Er wandte
sich um, stutzte, und dann machte er mit seinem Pferd kehrt und galoppierte auf
sie zu, sprang ab und schloss Hannah in die Arme. »Ich dachte ...«, fing sie
an.
Sein Mund
presste sich auf ihren, zu einem inbrünstigen Kuss. Hannah schlang die Arme um
seinen Hals, Neal zog sie ganz fest an sich. Sie waren wieder auf der Caprica, zwei
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