Wood, Barbara
war, was nur bedeuten konnte, dass die Expedition schließlich und
endlich aufgebrochen und Neal auf dem Weg zu ihr war.
Der
Gedanke, dass er sich inmitten einer gottverlassenen Wildnis befand, in der
tödliche Schlangen, wilde Dingos und feindlich gesinnte Aborigines lauerten, schmeckte Hannah ganz und gar nicht, genauso schrecklich
aber fand sie es, ein Jahr lang nichts von ihm zu hören. Immerhin hatte sie
eingesehen, dass Gefahren von landestypischen Eigenheiten zum Leben eines
Kolonialisten - und Forschers - in dieser neuen Welt gehörten, ebenso wie die
Trennung von Angehörigen und Freunden auf lange Zeit. Wer immer in die Kolonien
ging, um dort ein Unternehmen oder eine Farm aufzubauen, ließ oft erst zwei
oder drei Jahre später Frau und Kinder nachkommen. Ein Brief oder ein Paket
nach England war sechs Monate lang unterwegs und die Antwort ebenso lange.
Was also
würde zutreffen?, fragte sie sich, als sie sich vertrauter Umgebung näherte -
die Basset Farm auf der einen Seite, der Arbin-Hühnerhof auf der anderen -, ein
Brief von Neal oder kein Brief?
Ein Reiter
tauchte vor ihr auf der Straße auf. Beim Näherkommen tippte er an seinen Hut
und sagte: »Tag auch, Miss Conroy.«
Richard
Linsey und seine Frau waren Treiber, als die sie riesige Schafherden von
Farmen im Norden zum Hafen und zu den Schlachthäusern begleiteten. Wann immer
Hannah solchen Treibern begegnete - abgerissen, braungebrannt, wild und frei - musste
sie an ihr Zusammentreffen mit dem gesetzlosen Jamie
O'Brien in Lulus Park denken. Wo er wohl steckte? Per Fahndungsplakat
wurde noch immer nach ihm gesucht, er lief demnach weiterhin frei herum.
»Schönen
guten Tag, Mr. Lindsey«, rief Hannah zurück. Sie hatte Judith Lindsey bei der
Geburt ihres fünften Kindes beigestanden.
Mary
McKeeghan hatte Wort gehalten und Hannah überall weiterempfohlen, und seither
war Hannah eine gefragte Frau. Meist ging es um eine Entbindung, und obwohl
derlei Einsätze Befriedigung verschafften, fühlte sich Hannah nach wie vor
nicht ausgelastet. Sie verstand sich auf so viel mehr, nur leider ergab sich
für sie keine Gelegenheit, dies unter Beweis zu stellen. Wenn kein Arzt zu
erreichen war, griff man häufig, so auch in dem von der Influenza betroffenen
Gebiet, auf Hausmittel zurück und war perplex, wenn Hannah ihre Hilfe anbot.
Sie war in einem Haus vorstellig geworden, wo, wie ihr zu Ohren gekommen war,
die gesamte zwölfköpfige Familie mit Influenza das Bett hütete und sich kaum
selbst versorgen konnte. Eine Nachbarin hatte ihr die Tür geöffnet, Hannah
hatte ihr ihre Visitenkarte überreicht und ihre Hilfe angeboten. »Hier ist
niemand schwanger«, hatte die Frau geantwortet und die Tür wieder geschlossen.
Ich bin
nicht nur eine Hebamme, hätte Hannah am liebsten erwidert. Ständig erweiterte
sie ihre Kenntnisse und Fertigkeiten. Sie war dahintergekommen, wozu alles sich
Eukalyptus eignete: zum Inhalieren oder Einreiben bei Beschwerden in der Brust
oder der Lunge, als Heilsalbe bei Verstauchungen und Muskelschmerzen, in Form
von Lutschpastillen linderte er Halsschmerzen. Sie bekam es mit Erkrankungen
und Verletzungen zu tun, wie sie in England eher nicht auftraten: Bisse von
Tausendfüßlern (zu behandeln mit Tabak, der direkt auf die Wunde aufgetragen
wurde), Schlangenbisse (Wunde aufschneiden, das Gift aussaugen, dann die Wunde
mit Kaliumpermanganat bestreichen und anschließend verbinden) und Flohbefall
im Bettzeug (vor dem Schlafengehen ein Lamm ins Bett stecken; die Flöhe
konzentrieren sich dann auf das Tier).
Bis zum Australia war es jetzt nur noch ein Katzensprung, und Hannah lechzte nach einem
Bad. Dass sie wieder in einem Hotel wohnte, machte ihr nichts aus, zumal das
von Liza Guinness geführte auf dem Land
lag und sie sich dort durchaus wie zu Hause fühlte. Dennoch hielt sie weiterhin
an ihrem Traum von einem eigenen Häuschen fest und hielt Ausschau nach
Grundstücken, die zum Verkauf angeboten wurden. Oder wenigstens zur Miete. Aber
alles, was sie sich näher ansah, verblasste im Vergleich zu Seven
Oaks.
»Meine
liebe Hannah«, begann Neal am Empfangstresen des Australia Hotels zu schreiben, »tut mir leid, dass wir uns verpasst haben. Wie
ich Ihnen in meinem vorhergehenden Brief bereits mitteilte, konnte Sir
Reginald in Perth nicht genug Proviant und Geldgeber auftreiben, weshalb er
beschloss, nach Adelaide zu fahren und von hier aus eine Ost-West-Expedition zu
starten. Ich habe Ihnen nicht geschrieben, da es schneller
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