Word-OleSte-DerTou
ein Loch, aber Einner hatte es sich dank seines unbegrenzten Spesenkontos als Tourist angewöhnt, nur in den besten Etablissements zu nächtigen, die eine Stadt zu bieten hatte. Daher konnte die Wahl nur auf das Hotel Beau-Rivage mit seinem Ausblick auf den J achthafen des Genfer Sees fallen.
»Wenn sie den Wagen finden«, wandte Milo ein, »schauen sie dort garantiert zuerst nach.«
»Wieso sollen die den Wagen finden? Du machst dir wirklich zu viel Sorgen.«
»Ich bin auf der Flucht, falls du das vielleicht vergessen hast.«
»Ach komm, du kannst mir vertrauen.«
Inzwischen waren sie auf der Rue de la Servette, die direkt zum Wasser führte, und Milo hätte fast laut losgelacht. Zum Teil lag es an seiner Müdigkeit, zum Teil aber an der elementaren Gesetzmäßigkeit des Tourismus, dass man niemandem vertrauen durfte. Und wenn es schon sein musste, dann auf keinen Fall einem anderen Touristen.
Sie stellten das Auto hinter dem Hotel ab. Es war fast ein Uhr früh, doch am Hafen herrschte noch immer reges Treiben mit Musik. Angeregt von dem Trubel, schnippte Einner mit den Fingern im Rhythmus einer Samba, der aus einer Partyjacht mitten auf dem See herüberwehte.
Einner buchte die Zimmer mit einer von fünf Kreditkarten in seiner Brieftasche, die auf den Namen Jack Messerstein lautete. Als man ihnen die Schlüssel zu ihren nebeneinanderliegenden Zimmern im dritten Stock ausgehändigt hatte, flüsterte ihm Einner zu: »Geh schon rauf, ich entsorg die Karre.«
»Jetzt?«
»Ich kenne jemanden, der jemanden kennt. Und der schläft nie.«
»Kann ich mit deinem Handy telefonieren?« Einner zögerte.
»Mach dir keine Sorgen, ich ruf schon nicht zu Hause an.« Das war die Wahrheit. Er wollte nur sichergehen, dass Einner keine neuen Anweisungen bekam.
In der Empfangshalle warf er noch kurz einen Blick ins Telefonbuch - kein Eintrag für Ugrimow: Nachdem er mit der Dolan-Karte ein Bündel Schweizer Franken aus einem Geldautomaten gezogen hatte, fragte er einen Rezeptionisten nach Roman Ugrimow, einem alten Freund, der in der Nähe wohnte. Tatsächlich kannte der Rezeptionist Ugrimow - ein Mann, der so unverschämt reich war, musste einfach auffallen. Wusste er, wo Roman lebte? Den Blick auf das Geld gerichtet, schüttelte der Angestellte traurig den Kopf, verwies ihn aber nach Empfang einiger Scheine an eine hinreißende Prostituierte, die an der Hotelbar Wein trank. Da sie Milo für einen potenziellen Kunden hielt, berührte sie ihn wiederholt am Arm. Doch kaum hatte er sein Anliegen vorgebracht, wich sie zurück. »Bist du ein Bulle?«
»Ein alter Freund.«
»Meine Kunden bezahlen mich für meine Diskretion, Mister Alter Freund.«
»Dann lass mich doch auch dafür bezahlen.«
Wie sich herausstellte, zählte Roman Ugrimow nicht zu ihren Kunden, aber der Kreis von Prostituierten der gehobenen Klasse in Genf war relativ klein, und sie kannte ein Mädchen, das ein paarmal bei ihm gewesen war. »Sehr jung, du weißt schon. Er mag sie jung.« Für zweihundertfünfzig Franken erledigte sie den Anruf und schrieb ihm Ugrimows Adresse auf einen Löwenbräu-Bierdeckel.
Das Zimmer trug die Bezeichnung »de Luxe« und hatte tatsächlich keinerlei Ähnlichkeit mit den Hunderten von billigen bis mittelmäßigen Absteigen, in denen er in seiner Zeit als Tourist gehaust hatte. Das Kopfbrett des großen Betts hatte romantische Behänge, es gab einen Sitzbereich mit Zweiersofas, und die ganze Einrichtung strahlte eine vornehm altmodische Eleganz aus. Das Fenster eröffnete einen weiten Blick über den See, die Vergnügungsjachten und die Lichter der Stadt. Wie schade, fuhr es ihm durch den Kopf, dass ich nicht mit meiner Familie hier sein kann.
Das Frühstück ließen sie ausfallen, und unterwegs erzählte Einner, dass er den Renault zu einem Freund gebracht hatte, der am Stadtrand von Genf eine Autowerkstatt hatte. Als Gegenleistung hatte ihm der Freund einen in Spanien gestohlenen Daewoo überlassen, der frisch lackiert und unter einem neuen Namen mit Schweizer Papieren angemeldet war. Obwohl das Auto ein eher billiges Modell war, verlief die Fahrt an der bergigen Nordseite des Genfer Sees angenehm ruhig.
»Siehst besser aus heute Morgen«, bemerkte Einner, der am Steuer saß. »Irgendwelche neuen Perspektiven?«
»Bloß dass Schlafen keine schlechte Idee ist.« Milos Antwort entsprach zwar der Wahrheit, aber die nächtliche Erholungspause war nicht allein für seine bessere Verfassung verantwortlich. Paradoxerweise war es
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