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auch der Umstand, dass er auf einmal in sein altes Leben zurückgekehrt war. Beim Aufwachen am Morgen hatten ihm zwar alle Knochen wehgetan, doch er fühlte sich wieder wie ein Tourist, und sein Gehirn hatte umgeschaltet auf die alte Methode der Verdrängung jeglicher Ängste. Das war eine unvermeidliche, wenngleich befristete Maßnahme, denn natürlich war es nur eine Frage der Zeit, bis diese Ängste sich befreiten und ihm endgültig das Genick brachen, wie sie es vor sechs Jahren schon einmal fast getan hatten. »Vielleicht habe ich wieder ein bisschen Hoffnung geschöpft.«
»Ich wette, dass im Buch auch was über Hoffnung steht.« Einner warf einen erwartungsvollen Blick herüber.
Milo war gern bereit, die Weisheiten des Schwarzen Buches zu diesem Thema weiterzugeben. »Ja: Man soll nicht süchtig danach werden.«
Auf kurvenreichen Bergstraßen, die an versteckten Villen vorbeiführten, gelangten sie zu Ugrimows Anwesen, das durch ein elektronisch gesteuertes Tor mit Videokameras und Sprechanlage gesichert war. Milo stieg aus, stapfte über den knirschenden Kies und drückte auf die Taste. Eine tiefe russische Stimme meldete sich: »Oui?«
Milo antwortete auf Russisch. »Bitte sagen Sie Roman, dass Charles Alexander ihn sprechen möchte.«
Schweigen folgte, und er warf einen Blick auf Einner, der ihn gespannt anstarrte. Es klickte im Lautsprecher, und Roman Ugrimow persönlich war dran. »Mr Alexander-Weaver? Das ist aber lange her.«
Lächelnd schaute Milo in eine Videokamera und winkte. »Höchstens eine halbe Stunde, Roman. Ich will nur mit Ihnen reden.«
»Und Ihr Freund?«
»Er muss nicht mit reinkommen.« »Dann soll er draußen warten.«
Milo trat zu Einner und bat ihn, im Auto zu bleiben.
Nach einigen Minuten rollte zwischen den Bäumen auf der anderen Seite des Tors langsam ein schwarzer Mercedes heran. Zwei Männer stiegen aus. Einen von ihnen kannte er noch von der letzten Begegnung vor sechs Jahren. »Nikolai.«
Nikolai tat, als würde er sich nicht an ihn erinnern. Sein Begleiter öffnete eine Tür im Tor, die Milo passierte. Nachdem er gefilzt worden war, wurde die Tür wieder verschlossen. Sie führten ihn zum Auto und ließen ihn hinten einsteigen, bevor sie wieder zurücksetzten.
Milo hatte sich Ugrimows Haus am Ende der langen, gewundenen Auffahrt in der Art einer Villa vorgestellt, doch er hatte Unrecht. Erstaunlicherweise war der Geschmack des Russen bescheidener. Der Mercedes hielt vor einem niedrigen, U-förmigen und sehr breiten Steinhaus, dessen Außenseite nach vorn zeigte und in dessen Innerem sich ein befestigter Hof und ein Swimmingpool verbarg en. Dort erwartete ihn Ugrimow. Er lehnte in einem Aluminium-Clubsessel und nippte an einem schäumenden, pinkfarbenen Drink. Leise ächzend stand er auf, platzierte sein Getränk auf einem Glastisch und trat auf Milo zu, um ihm die Hand zu reichen. In den letzten sechs Jahren war sein graues Haar weiß geworden. »Wir haben uns lange nicht gesehen«, begrüßte ihn Ugrimow auf Russisch.
Milo pflichtete ihm bei und ließ sich auf einem anderen Clubsessel nieder, den ihm Roman Ugrimow anbot.
»Etwas zu trinken? Nikolai mixt einen wunderbaren Grapefruit - Daiquiri.«
»Nein danke.«
»Wie Sie wünschen.« Er machte es sich wieder auf seinem Platz bequem.
Milo kniff die Augen zusammen, weil die hellen Steine in der heißen Mittagssonne ein gleißendes Licht zurückwarfen. »Ich brauche Informationen, Roman.«
»Mit Informationen kann ich dienen. Informationen sind mein Geschäft. Aber ich hoffe, Sie wollen mir nicht wieder drohen.« Ugrimow lächelte. »Ihre Unterstellungen beim letzten Mal fand ich ziemlich geschmacklos.«
»Sie haben das Mädchen umgebracht. Ich habe es beobachtet.«
»Sie haben nicht mal zur Terrasse hochgeschaut, Mr Weaver. Niemand hat gesehen, wie sie gesprungen ist.« Bekümmert schüttelte er den Kopf. »Der Tag war schon traurig genug, auch ohne dass Sie mit dem Finger auf mich gezeigt haben.«
Milo wurde klar, dass alle Gefühlsäußerungen dieses Mannes gespielt waren. »Ich bin nicht wegen ihr hier, sondern wegen Ihrer Firma Ugritech.«
»Ach, wie schön. Ich freue mich immer über neue Investoren.«
»Wer ist Rolf Vinterberg?«
Ugrimow schob die Lippen nach vorn, dann schüttelte er den Kopf. »Keine Ahnung.«
»Und wie steht's mit den dreihunderttausend Dollar, die Rolf Vinterberg auf ein Konto der Union Bank of Switzerland eingezahlt und die Samuel Roth kurz darauf abgehoben hat? Oder mit dem
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