Word-OleSte-DerTou
« Er zuckte mit den Achseln. »Kurz, ich war anfällig.«
»Und deswegen haben Sie Ingrid umgebracht. Sie wollten nicht mehr anfällig sein.«
Ugrimow machte eine wegwerfende Handbewegung. »Wir wollen keinen alten Staub aufwirbeln. Ich möchte hier über die Ereignisse nach diesem traurigen Tag sprechen. Drei Monate später, um genau zu sein. Im Dezember 2001. Über amerikanische Freunde ist ein junger Mann mit einem ganz ähnlichen Vorschlag an mich herangetreten. Ja, auch er hat mich erpresst! Ich dachte mir: Was habe ich nur getan, dass Gott mich so verflucht? Wer weiß ... Diesmal ging es jedenfalls nicht um minderjährige Mädchen, sondern um etwas viel Bedrohlicheres. «
»Und zwar?«
Er schüttelte kurz den Kopf. »Wenn ich Ihnen das verraten würde, wäre es ja nicht mehr mein Geheimnis. Es genügt wohl, festzustellen, dass es eine finanzielle Angelegenheit war. Der junge Mann hat mir nicht nur sein Stillschweigen versprochen, sondern mir auch zugesichert, dass niemand anders davon erfahren wird. Damit wu rde er sozusagen mein Beschü tzer. «
»Wie hieß er? «
»Er hat sich als Stephen Lewis vorgestellt, und so habe ich ihn immer genannt.«
»Amerikaner?«
»Sein Name war sicher zweifelhaft, aber seine amerikanische Art nicht. Aufdringlich, wenn Sie verstehen. Als würde ihm die ganze Welt gehören.«
»Und was wollte er von Ihnen?«
Ugrimow trank einen Schluck, dann stand er auf, um die Terrassentür zu schließen. Auf dem Weg zurück zu seinem Clubsessel starrte er hinüber zum offenen Ende des Hofs, das zum Wald führte. Schließlich nahm er wieder Platz und sprach mit gesenkter Stimme weiter. »Im Grunde wissen Sie ja schon, was er von mir verlangt hat. Ich musste Bargeldbeträge in verschiedener Höhe zu mehreren Züricher Banken bringen und Konten eröffnen, die auf zwei Namen liefen: den meines Auftraggebers und Samuel Roth. Was hätte ich tun sollen? Was hätten Sie an meiner Stelle getan? Ich habe seine Anweisungen befolgt. Nicht oft - nur zwei- oder drei-
mal im Jahr. Und daran ist ja nichts Illegales. Nein, nicht das Geringste. Ich schicke einen meiner Mitarbeiter mit falschen Papieren - Rolf Vinterberg ist der Name, den wir in den letzten zwei Jahren verwendet haben -, und er eröffnet ein Konto.«
Das war es also. Milo fühlte auf einmal ein Prickeln. Ein ganz einfaches Geldwäschemanöver, um den Tiger für seine Aufträge zu bezahlen. Angela hatte unmittelbar vor dem Durchbruch gestanden. Dann überlegte er laut, ohne große Hoffnung: »Hatte er einen Bart?«
»Was?«
»Dieser Stephen Lewis. Hat er einen Bart?«
Ugrimows Miene hellte sich auf. »Sie kennen ihn also! Rotes Haar, rot im Gesicht, roter Bart. Sie kennen den Mann!« Wieder ein Volltreffer. Zusammenhänge. Milo schüttelte den Kopf. »Noch nicht, aber ich werde ihn hoffentlich bald kennenlernen. Fahren Sie bitte fort.«
»Nun, viel gibt es da nicht mehr zu erzählen. Er hat seine Zusage eingehalten. Meine finanziellen Geheimnisse wurden nie aufgedeckt, und ab und zu hat sich Mr Lewis bei mir gemeldet. Er hat mir Bargeld mit den Bankinstruktionen ausgehändigt, und ich habe meinen Mr Vinterberg losgeschickt. Nach ein paar Jahren hat mir die Vereinbarung in anderer Weise sogar genützt. Ich hatte Probleme, weil einige Bürokraten in Deutschland wollten, dass mich die Schweiz ausliefert. Ich hatte wirklich Angst. Ich habe Lewis davon erzählt, und er hat dafür gesorgt, dass mich die Schweiz in Ruhe ließ. Fragen Sie mich bitte nicht, wie er das angestellt hat.« Er nickte ehrfürchtig. »Und so ist es auch geblieben. Zumindest bis vor kurzem.«
»Was ist passiert?«
»Am Montag habe ich einen Brief vom Schweizer Außenministerium bekommen. Sie werden es nicht glauben, aber die neue Regierung ist der Auffassung, dass ich wegen den wütenden Kläffern in Berlin hier kein erwünschter Einwohner mehr bin.«
»Und Sie haben sich mi t Lewis in Verbindung gesetzt.«
»Wie hätte ich das können? Er hat mir nie eine Telefonnummer hinterlassen - so hat das nicht funktioniert. Aber wie es der Zufall will, hat er mich vor vier Tagen wieder einmal besucht. Ich habe mich schon gefreut, weil ich ihn um Hilfe bitten konnte. Aber er war nicht mit einem Bündel Euroscheinen und Bankangaben aufgetaucht. Er kam mit leeren Händen. Und er teilte mir mit, dass unsere Vereinbarung beendet ist. Er hat sich für meine Kooperation bedankt und mir versichert, dass seine Leute unser kleines Geheimnis nicht verraten werden, solange ich es
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