Word-OleSte-DerTou
Vielleicht hatte sie Recht, keine Ahnung. Ich weiß nur, dass ich noch mehr in sie verliebt war als vorher, und als sie einen Überblick über die revolutionären Aktivitäten in Westdeutschland wollte, habe ich ihr die nötigen Informationen sofort gegeben. Ich habe sie einigen Genossen vorgestellt, und die meisten waren nicht besonders angetan. Sie fanden ihre radikalen Auffassungen ziemlich überdreht. Die deutschen Kämpfer haben wie eine große Familie funktioniert, aber Ellen hatte die Idee der Familie damals bereits als bürgerlich verworfen. Auf jeden Fall haben wir unsere Beziehung wieder aufgenommen, und dann wurde sie schwanger. Das war Ende 69. Sie hat zwar die Pille genommen, aber wahrscheinlich hat sie es manchmal vergessen. Immerhin war sie vollauf damit beschäftigt, den Sturz aller westlichen Institutionen zu planen.«
Simmons wartete, während Primakow erneut seine Wange malträtierte.
»Sie wollte abtreiben. Ich war dagegen. Ich wurde damals immer bürgerlicher und hatte die Hoffnung, dass uns ein Kind zusammenschweißen würde. Aber mit so einer Niete als Vater, wie hätte sie da die Familie in einem positiven Licht sehen können? Also habe ich es mit einem anderen Argument probiert: Wenn die Revolutionäre keine Kinder haben, wie soll die Revolution dann weitergehen? Ich glaube, das hat sie letztlich überzeugt. Der Name Milo war ihre Idee. Später habe ich erfahren, dass das ihr geliebter Hund aus Kindertagen war. Merkwürdig. Zu der Zeit hat sie auch ihren eigenen Namen geändert. Sie wurde Elsa. Zum Teil aus Sicherheitsgründen - ich habe ihr die Papiere beschafft -, aber auch aus psychologischen Erwägungen. Ein Baby war ihre Eintrittskarte in eine neue revolutionäre Welt. Ihre Wiedergeburt als befreite Frau.«
»Sind Sie zusammengeblieben?«
Wieder wiegte er den Kopf. »Das war das Paradoxe. Ich wollte Milo, weil ich dachte, dass er Ellen an mich binden wird. Doch auf einmal war sie zu hundert Prozent unabhängig. Ich war nur noch ein x-beliebiger Spießer. Ein Gelegenheitspenis - so hat sie mich bezeichnet. Und davon standen ihr genügend andere zur Verfügung. Ich wurde einer von vielen.«
»Das hat bestimmt wehgetan.«
»In der Tat, Special Agent Simmons. Es hat sehr wehgetan. Ich war höchstens noch der Babysitter, während sie mit ihren Genossen losgezogen ist und eine Spur der Verwüstung hinterlassen hat. Ich hatte zwar einen Sohn bekommen, aber sie hatte ich verloren. Völlig frustriert habe ich schließlich verlangt - wirklich verlangt -, dass wir heiraten. Sie können sich denken, wie sie reagierte. Wie ich mir das vorstellte? Das war doch der äußerste bürgerliche Kompromiss, und sie wollte auf keinen Fall, dass ich meinen Sohn mit diesen kranken Ideen anstecke. Inzwischen war es 72, es war die Hochzeit der Roten-Armee-Fraktion. Moskau drängte mich, dass ich diese jungen Leute endlich unter Kontrolle bringen sollte. Als ich melden musste, dass wir es nicht mehr im Griff hatten, wurde ich zurückberufen.« Primakow breitete die Hände zu einer Geste der Hilflosigkeit aus. »Ich war total verzweifelt und habe sogar versucht, Milo zu entführen.« Er lachte in sich hinein. »Wirklich. Ich habe zwei meiner besten Leute damit beauftragt, doch zu dieser Zeit hat schon ein neuer Agent aus Moskau rumgeschnüffelt. Er hat die Zentrale verständigt, die sofort die Befehle an meine Untergebenen abgeändert hat. Meine eigenen Leute sollten mich, wenn nötig mit vorgehaltener Waffe, nach Moskau zurückbringen.« Er atmete tief durch und ließ den Blick durch das jetzt voll besetzte Restaurant schweifen. »Das, meine Liebe, war mein blamabler Abschied aus Westdeutschland.«
»Was wissen Sie über die folgenden Ereignisse?«
»Viel«, räumte er ein. »Schließlich hatte ich nach wie vor Zugang zu den Berichten. Ich habe Ellens Karriere verfolgt wie ein kleines Mädchen den Werdegang ihres Lieblingssängers. Die RAF-Prozesse waren in ganz Europa in den Schlagzeilen. Aber Ellen wurde nicht festgenommen. Sie hat sich mit dem Baby nach Ostdeutschland abgesetzt und ist erst später zurückgekehrt, um sich der Bewegung 2. Juni anzuschließen. Dann, 1974, hat die Polizei die Leiche von Ulrich Schmücker im Grunewald bei Berlin entdeckt. Wahrscheinlich war er von seinen eigenen Genossen der Bewegung 2. Juni getötet worden.« Er runzelte die Stirn. »War Ellen an Schmückers Exekution beteiligt? Ich weiß es nicht. Nach drei Monaten ist sie jedenfalls im Haus ihrer Schwester in North
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