Word-OleSte-DerTou
das große Verbotsschild auf. Lächelnd ho b er die Hand und schnippte die Zigarette nach einem letzten Zug in den Becher. Dann goss er ein wenig von dem erbärmlichen Wein darüber, um sie zu löschen. Der Jüngling grinste verlegen, offenbar froh, dass er den Gast nicht hinauswerfen musste.
Grainger hatte für ihn ein Zimmer im Hotel Bradford Elysees reserviert, einem dieser überteuerten, monströs-klassizistischen Etablissements an der Rue Saint-Philippe du Roule, deren Rechnungen in den Ausgaben der Abteilung Tourismus nicht unerheblich zu Buche schlugen. Am Empfang bat er, ihn um halb zwölf zu wecken - in ungefähr vier Stunden-, und nahm eine Herald Tribune mit aufs Zimmer. In dem pompös wirkenden Aufzug las er die Schlagzeilen. Sie waren nicht erfreulich.
Wieder Autobomben im Irak, die acht US-amerikanische und kanadische Soldaten getötet hatten, und Unruhen in der sudanesischen Hauptstadt Khartum. Ein Foto zeigte Tausende zornige Männer auf einem Platz, die plakatgroße Porträts des toten Mullahs Salih Ahmad schwenkten - ein weißbärtiger Heiliger, dessen Glatze unter einer Taqiyah verborgen war . Wie er aus der Bildunterschrif t erfuhr, rief der arabische Text nach dem Kopf des Präsidenten Omar al-Bashir. Auf Seite acht stieß er auf die kurze Meldung, dass der Heimatschutz einen mutmaßlichen politischen Attentäter gefasst hatte, dessen Name nicht genannt wurde.
Aber die wichtigste Nachricht stand nicht in dem Blatt: Milo Weaver war nach Paris gekommen, um einer seiner ältesten Freundinnen eine Falle zu stellen.
In einer sentimentalen Anwandlung erinnerte er sich an ihre gemeinsame Zeit als junge Agenten in London. Viele Codes und Geheimtreffen in entlegenen Pubs sowie Diskussionen mit britischen Kollegen über die Schweinereien, die ihre jeweiligen Länder in der postkommunistischen Welt zu veranstalten begannen. Angela war intelligent und ausgeglichen - in ihrem Geschäft fast ein Paradox -, außerdem hatte sie Humor. Zusammen sind diese drei Eigenschaften beim Geheimdienst extrem selten anzutreffen, und wenn doch, dann versucht man den Kontakt zu dieser Person zu halten. Sie verbrachten so viel Zeit miteinander, dass alle sie für ein Paar hielten. Das kam ihnen nicht ungelegen. Angelas Vorliebe für Frauen wurde nicht zum Gesprächsthema, und die Diplomatengattinnen verzichteten darauf, Milo mit ihren Nichten zu verkuppeln.
Nach dem Fiasko in Venedig konnte Angela zwei Monate lang nicht mit ihm reden, so traumatisch hatte sich die Tötung Frank Dawdles auf sie ausgewirkt. Aber im Jahr darauf, als Milo gleichzeitig Ehemann und Vater einer Tochter wurde, kam Angela zu der Hochzeit in Texas und überschüttete Tina mit Lob und Glückwünschen. Auch danach blieben sie in Verbindung, und immer wenn Angela in New York war, beharrte Tina darauf, mit ihr essen zu gehen.
Ohne sich auszuziehen, legte er sich aufs Hotelbett und spielte mit dem Gedanken, Tom anzurufen. Bloß was sollte er ihm sagen? Die Argumente für Angelas Unschuld hatte er schon vorgebracht. Sollte er vielleicht melden, dass James Einner ein Hohlkopf und für die Durchführung der Operation ungeeignet war? Tom war es doch völlig egal, was Milo über Einner dachte.
Die beklemmende Wahrheit war, dass er vor sechs Jahren keine Fragen gestellt hätte. Das hier wäre nur ein einfacher, klarer Auftrag gewesen, nichts weiter. Aber er war kein Tourist mehr, und er weinte dieser Zeit auch keine Träne nach.
11
Zwischen der amerikanischen Botschaft und den Champs-Elysees lag der langgestreckte, strenge Jardin des Champs-Elysees. Milo parkte an der Avenue Franklin D. Roosevelt und schlenderte durch den Park. Hier und da hockten alte Pariser in der heißen Mittagssonne auf Bänken, Tüten voller Brotkrumen zwischen den Knien, um Tauben anzulocken.
Im Juli ist Paris trostlos. Fast alle Bewohner flüchten, um ihren staatlich garantierten Urlaub zu genießen, und an ihrer Stelle wird die Stadt von Japanern, Holländern, Amerikanern, Deutschen und Briten heimgesucht, die mit gerecktem Hals vor Kartenschaltern Schlange stehen, sich mit Prospekten die schweißnassen Wangen fächeln und herumtollende Kinder anbrüllen. Die älteren Touristen ziehen in Scharen auf Gehhilfen oder in Rollstühlen dahin, während die jüngeren immer wieder stehen bleiben, um sich über ihre schmerzenden Füße zu beklagen, und sich überrascht zuflüstern, wie viele Schwarze es in Paris gibt.
Die meisten von ihnen haben vor der Abfahrt Gene Kelly und Leslie
Weitere Kostenlose Bücher