Working Mum
ich in so einem Haus gewohnt habe, war Weihnachten noch eine ziemlich einfache Angelegenheit. Es gab einen Baum, einen pickligen Puter, Clementinen in einem orangen Netz, vielleicht noch ein paar Datteln, die in einem Palmblattkanu aneinander klebten, und eine große Dose Quality-Street-Bonbons, die von der ganzen Familie zusammen vor dem Fernseher gegessen wurde. Das große Geschenk stand immer unter dem Baum, ein Puppenhaus, Rollschuhe, vielleicht auch ein Fahrrad mit Stützrädern und einer Klingel, und am Fußende vom Bett hing immer der Strumpf, dessen aufregend unförmiges Gewicht man mit den Füßen befühlen konnte. Aber wie alles andere hat auch Weihnachten einen Zahn zugelegt. Jetzt gibt es Aufführungen vom «Nussknacker», für die man im August Karten vorbestellen muss, und Kelly Bronze. Als ich diesen Namen das erste Mal hörte, dachte ich, Kelly sei eine dieser aufblasbaren Baywatch-Puppen, aber es stellte sich heraus, dass sie die einzige Sorte Pute ist, die sich noch zu essen lohnt. Nachdem man erst mal eine Stunde in der Telefonwarteschleife des Supermarkts verbracht hat, um darum zu betteln, dass man auf die Warteliste für Kelly gesetzt wird, muss man das Vögelchen auch noch zu sich nach Hause holen und füllen. Meiner Weihnachtsbeilage zufolge ist die Füllung, die früher mal aus trockenen Brotkrümeln mit gehackter Zwiebel und einem Löffel muffigem Salbei bestand, mittlerweile zu «verwöhnte Gaumen belebender Porcinibutter mit rotem Reis und Preiselbeeren» mutiert.
Ich glaube nicht, dass wir in den Siebzigern Gaumen hatten, wir hatten Schleckermäuler und Sodbrennen, das behoben wurde, indem man Pastillen von der Farbe und Beschaffenheit von Grabsteinen lutschte. Guter Witz, wenn man drüber nachdenkt, nicht? Gerade, als Millionen von Frauen aus ihrer Hausfrauenrolle geflohen waren, gab es plötzlich Essen, das sich zu kochen lohnte. Denk bloß mal an all die phantastischen Sachen, die du machen könntest, Kate, wenn du je in deine Küche kämst.
8.43: Pegasus hat die «schnelle» Route hintenrum nach Heathrow gewählt. Daher sitzen wir eine Stunde und zwanzig Minuten vor Abflug vor einer Reihe koscherer Schlachterläden in Southall fest. Fühle mein Herz aufjaulen, Fuß tritt unsichtbares Gaspedal durch.
«Hören Sie mal, können Sie nicht schneller fahren? Ich muss unbedingt Zeit aufholen.»
Ein junger Typ in weißem Baumwollpyjama läuft vor uns auf die Straße, hat sich ein Lamm von der Größe eines Kindes um die Schultern gelegt. Mein Fahrer bremst abrupt ab, und vom Vordersitz ertönt ein lakonisches Nuscheln: «Als ich mich letztens erkundigt hab, war es noch verboten, Leute zu überfahren.»
Mache die Augen zu und konzentriere mich darauf, mich zu beruhigen. Wenn ich die Zeit effizient nutze, wird es mir nicht mehr so vorkommen, als sei alles außer Kontrolle: Rufe KwikToy (Spaß rund um die Uhr) per Handy an, um mich über die nicht eintreffenden lebenswichtigen Weihnachtsgeschenke zu beschweren.
«Vielen Dank, dass Sie sich für KwikToy entschieden haben. Leider sind zurzeit alle Leitungen besetzt. Wir rufen Sie in Kürze zurück.» Typisch.
Fange an, mich durch die ausgerissenen Gelben Seiten mit Zoohandlungen in Nordlondon zu arbeiten. Es überrascht mich nicht zu erfahren, dass wir landesweit eine Knappheit von Babyhamstern haben, wenn auch in Walthamstow noch einer übrig sein könnte. Ob ich an dem interessiert bin? Ja.
Als ich endlich zu KwikToy durchkomme, mag der umnachtete Angestellte nicht recht zugeben, dass meine Bestellung vorliegt. Erzähle ihm, dass ich zu den Hauptaktionären seiner Firma gehöre und dass wir dabei sind, unsere Investition einer Prüfung zu unterziehen.
«Na gut», lenkt er ein, «es gab Lieferschwierigkeiten aufgrund unvorhergesehener Nachfrage.»
Ich mache darauf aufmerksam, dass die Nachfrage wohl kaum als unvorhersehbar bezeichnet werden kann. «Die Geburt des kleinen Jesuskindes. Die feiern wir mittlerweile seit 2000 Jahren. Geschenke und Weihnachten. Weihnachten und Geschenke. Sagt Ihnen das irgendwas?»
«Hätten Sie gern einen Gutschein, Miss?»
«Nein, ich möchte keinen Gutschein. Ich möchte, dass mein Spielzeug ausgeliefert wird, und zwar sofort, damit meine Kinder zu Weihnachten etwas zum Auspacken haben.»
Pause, ein Piep und ein Hallen, als ich ihn rufen höre: «Ey, Jeff, irgendsone reiche Torte kreischt hier am Telefon rum wegen des Puppengeschirrs und dem Schäferhund auf Rollen.
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