Working Mum
sind?»
«Richard. Ich meine, Richard kümmert sich um sich selbst. Und um die Kinder. Und wir haben ein Kindermädchen, das die Kinder versorgt und … Naja, irgendwie läuft das.»
Jerry nickt leicht verstört, als hätte ich ihm von einem Minoischen Aquädukt berichtet. «Oh, das ist großartig. Kennen Sie Anita Roddick, meine Liebe?»
«Nein, ich …»
«Das muss man ihr lassen, nicht? Diese Haare. Verblüffend für ihr Alter. Und nicht ein Gramm zu viel auf den Rippen. Oft lassen sie sich ja gehen mit den Jahren, stimmt’s?»
«Wer?»
«Italienerinnen.»
«Ich habe nicht gewusst, dass Anita Roddick Italienerin ist.»
«Oh, naja. Bei uns in der Straße wohnt eine Frau, die war das Abbild der jungen Claudia Cardinale, bevor die Makkaroni mit Käse sie erwischt haben. Was hat Donald noch gesagt, in welcher Branche arbeiten Sie?»
«Ich bin Fondsmanagerin, ich investiere Geld im Auftrag von Rentenfonds und Firmen in …»
«Mit Bradford und Bingley kann man nicht viel falsch machen, sag ich immer. Festgeld für dreißig Tage, kommt man immer ran.»
«Das hört sich gut an.»
«Ich nehme an, Ihre Leute wollen den albernen Euro, was?»
«Nein …»
«Ich sag Ihnen mal was, Kate, ehe Sie es sich versehen, kriegt Gordon Brown uns dazu, dass wir mit einer Tasche voll deutscher Krautmark in den Pub ziehen. Wozu haben wir den Krieg gewonnen, sagen Sie mir das mal?»
Es gibt in solchen Gesprächen einen Punkt, an dem der Mensch, der man das restliche Jahr über ist, anfängt, sich luftschnappend durch die Schichten von Geschenkpapier und gesättigten Fettsäuren zu kämpfen und schließlich hervorbricht wie der Alien aus John Hursts Brust.
«Ehrlich gesagt, Jerry», sage ich lauter als beabsichtigt, «der Beitritt zum Euro wird davon abhängen, wie ausgeglichen die Haushalte der Länder sind. Außerdem wird die Weltwirtschaft von Alan Greenspan und der US Federal Reserve bestimmt, weswegen wir uns mehr auf die USA konzentrieren müssen als auf Europa.»
Jerry bäumt sich auf und rasselt in die Porzellanvitrine hinter ihm, die klingelt wie Schlittenglöckchen. «Tja, es war nett, mit Ihnen zu reden, meine Liebe. Richard ist doch ein Glückspilz, nicht wahr? Barbara, euer Richard hat es gut getroffen. Katharine hier könnte in Wer wird Millionär auftreten, sie hat Köpfchen und ein hübsches kleines Gesicht dazu.»
An ein Wasserglas voll halbtrockenen Sherry geklammert, gehe ich durch die Terrassentür nach draußen und lasse mich dankbar in die beißende Kälte fallen. Ich hocke mich in den Steingarten. Nun sag schon, Kate, warum hast du diesen gutmütigen alten Knaben da drinnen eben so fertig gemacht? Angeberei. Ich hab ihm gezeigt, dass ich nicht eine dieser Blondinen im Twinset bin. Er hat es nicht böse gemeint. Woher soll der arme Jerry wissen, was für eine Sorte Frau ich bin, was für eine seltsame neue Spezies? Zu Hause in London bei Edwin Morgan Forster halten sie mich für anormal, weil ich ein Leben außerhalb des Büros habe. Hier oben halten die Leute mich für eine Irre, weil ich einen Job habe anstelle eines Lebens.
Gestern habe ich Barbara erzählt, dass Brokkoli eins von Emilys Lieblingsgemüsen ist. Ich habe keine Ahnung, ob das stimmt. Bei EMF dagegen tue ich so, als würde ich jeden Tag vor der Arbeit die Financial Times lesen, aber wenn ich das tatsächlich täte, könnte ich mir nicht manchmal diese dreizehn Minuten im Bus mit Emily stehlen, in denen wir Wörter buchstabieren, plaudern und Händchen halten. Doppelagenten leben vom Lügen.
15.12 Uhr: Die ganze Familie – Donald, Barbara, die übrigen Erwachsenen und eine Auswahl Enkelkinder – knirscht über ein Feld und bahnt sich ihren Weg zwischen friesischen Milchkühen. Starker Frost hat die Kuhfladen in steife Hauben verwandelt, auf die die Kinder springen, um die giftgrüne Flüssigkeit darunter zu befreien. Ein Himmel wie ein Brilloschwamm – die Wolken werden plötzlich von einem unerklärlichen Sonnenstrahl durchbohrt. Staune gerade darüber, wie die Sonne die Hügel vor mir in Wärme taucht, als mein Handy klingelt. Simultan reißen die Kühe und Barbara lang bewimperte Augen auf, ganz Elizabeth Taylor, wenn sie die Schockierte spielt.
«Was ist das für ein schreckliches Geräusch, Katharine?»
«Tut mir Leid, Barbara, das ist mein Telefon. Hallo? Ja, hallo ?»
Eine Männerstimme wird vom Satelliten hinunter in die Dales geschmettert. Es ist Jack Abelhammer, der amerikanische Klient, den Rod mir als
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