Working Mum
die Kanzlei schwebe ein Fragezeichen», und sie hat diese Teilhaberschaft verdammt nochmal verdient, ehrlich, und dann hat Anka, das Kindermädchen, das bei ihnen ist, seit Felix ein Jahr alt ist, ihr Sachen gestohlen. Hat sie das mit dem Stehlen eigentlich schon erwähnt?
Nein, hat sie nicht.
Also, wenn sie ganz ehrlich sein soll, dann hatte sie es schon letzten Sommer gewusst, aber sie hatte es sich nicht eingestehen wollen, sie hat es nicht wissen wollen. Zuerst sind es nur kleine Bargeldbeträge gewesen, von denen sie dachte, sie hätte sie irgendwo im Haus liegen lassen, ganz begreiflich war ihr das nicht. Danach fingen andere Sachen an zu verschwinden, ein Walkman, ein silberner Bilderrahmen, diese niedliche kleine Kamera, die Jim aus Singapur mitgebracht hat. Na, die ganze Familie hat über den mopsenden Poltergeist Witze gemacht, und Deb hatte bessere Schlösser an den Türen anbringen lassen. Schließlich kann man ja nie wissen. Und dann, kurz vor Weihnachten, hat sie ihre Lederjacke verlegt, die wunderschöne, butterweiche von Nicole Farhi, deren Kauf überhaupt nicht zu rechtfertigen gewesen ist, und sie habe schwören können, dass sie sie nicht irgendwo liegen gelassen hat. Sie hat alle Restaurants angerufen, in denen sie gewesen ist, ihren Kleiderschrank geleert. Nichts. Mit Anka bittere Witze darüber gerissen, dass sie einen frühen Alzheimerschub habe, und Anka hat ihr eine Tasse Tee mit drei Stückchen Zucker gemacht – kein Wunder, dass Slovaken verfaulte Zähne haben – und ganz süß gesagt: «Ich glaube, Sie sind nur ein bisschen müde. Nicht verrückt.»
Deshalb hätte Debra es auch nie spitzgekriegt, wenn sie nicht eines Nachmittags schnell mal zwischen zwei Terminen zu Hause reingeschaut hätte. Als sie vor der Haustür nach den Schlüsseln fummelte, drehte sie sich um und sah Anka die Straße entlanggehen, sie schob Ruby im Buggy und trug die Lederjacke. Sie habe sich so schwach gefühlt, dass sie sich kaum noch rühren konnte, sagt Debra, aber sie schaffte es noch, sich hinter den Mülltonnen zu verstecken, damit Anka sie nicht entdeckte.
Dann, letzten Samstag, als Anka weg war, ist Deb in ihr Zimmer gegangen, wie eine Einbrecherin im eigenen Haus. Und da, im Schrank, und noch nicht mal ganz hinten versteckt, waren die Jacke und ein paar von Debs besseren Pullovern. In einer Schublade fand sie die Kamera und die Armbanduhr ihrer Großmutter, die mit dem kleinen silbernen Fisch als Minutenzeiger.
«Und was hast du zu ihr gesagt?»
«Nichts.»
«Aber, Deb, du musst was sagen.»
«Anka ist seit vier Jahren bei uns. Sie hat Felix an dem Tag ins Krankenhaus gebracht, an dem Ruby geboren wurde. Sie gehört zur Familie.»
«Familienmitglieder klauen dir in der Regel nicht deine Sachen und betrauern dann den Verlust mit dir.»
Ich bin schockiert, wie unbeteiligt die Stimme meiner Freundin klingt: der ganze Kampfgeist ausgetrieben.
«Ich hab darüber nachgedacht, Kate. Felix ist schon verunsichert genug, weil ich immer weg bin. Sein Ekzem wird immer schlimmer … Und er liebt Anka, das tut er wirklich.»
«Nun mach mal ’nen Punkt, sie ist eine Diebin und du bist ihr Boss. Im Job würdest du dir so was nicht bieten lassen.»
«Ich kann damit leben, dass sie mich beklaut, Kate. Ich kann nicht damit leben, wenn meine Kinder unglücklich sind. Genug von mir. Wie geht es dir?»
Ich hole tief Luft, und dann bremse ich mich. «Mir geht’s gut.»
Debra verabschiedet sich, aber nicht, ehe wir einen weiteren Lunchtermin vereinbart haben, den wir nicht einhalten werden. Ich schreibe ihren Namen trotzdem in meinen Kalender und male das doofe Smileygesicht drum herum, das Deb 1983 in unseren gemeinsamen Vorlesungsaufzeichnungen in Europäischer Geschichte immer an den Rand gemalt hat, wenn Josef Stalin erwähnt wurde. (Eine von uns musste in die Vorlesung, die andere durfte ausschlafen.)
Was ist der Preis, wenn man jemanden dafür bezahlt, den eigenen Kindern eine Mutter zu sein? Hat das je jemand durchkalkuliert? Ich rede nicht von Geld. Es kostet einen Haufen Geld, aber was ist mit dem anderen?
Donnerstag, 4.05: Emily weckt mich, um mir zu sagen, dass sie nicht schlafen kann. Und nun ist sie nicht allein damit. Ich fühle ihre Stirn, aber das Fieber ist nichts als die Aufregung wegen Disneyland/Paris, wohin wir uns im Laufe des Tages aufmachen werden, wenn ich all meine Sachen rechtzeitig erledigt kriege. Seit meine Tochter begriffen hat, dass das Schloss von Dornröschen am Ende
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