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World's End

World's End

Titel: World's End Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: T.C. Boyle
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am Tag nach Harmanus’ Rückkehr ins Reich der Mäßigung widerfuhr Jeremias ein Unfall.
    Man stelle sich den Tag vor: heiß, wolkenlos, die Luft so dick, daß selbst ein Ohnmächtiger kaum hätte zu Boden fallen können. Jeremias half seinem Vater, das Gestrüpp auf einer unwegsamen Anhöhe zu roden, nahe am Ufer des Van Wart Pond, auch als Wapatoosik Water bekannt. Sie arbeiteten mechanisch, unempfindlich gegen die Stiche der Moskitos wie die Bisse der Viehbremsen. An dem bräunlichen Tümpel mußte er wohl schon zwanzigmal vorübergegangen sein – die Arme schwer beladen, stechenden Schweiß in den Augen –, als ihm einfiel, die Kleider abzustreifen und sich zu erfrischen. Nackt watete er in den Schlick am Rand des Wassers. Er tastete sich behutsam voran, der Schlamm zerrte an ihm wie etwas Lebendiges, als plötzlich der Grund des Teichs nachgab und etwas seinen rechten Knöchel mit einer Kraft packte, so hitzig und unbezähmbar wie der Tod. Es war aber nicht der Tod. Es war eine Gemeine Schnappschildkröte, Chelydra serpentina , von der Größe eines Wagenrads. Bis Harmanus mit der Axt herbeigerannt war, hatte sich das Wasser blutrot verfärbt, und er mußte knietief hineinwaten, um den bösen, verhornten, vorsintflutlichen Kopf der Bestie zu treffen und ihn direkt vor dem Panzer abzuhacken. Der Kopf blieb am Knöchel. Der Rest des Wesens, mit immer noch schlagenden Klauen, glitt in die Brühe zurück.
    Zu Hause zerrte Harmanus die festgeklemmten Kiefer mit einer Schmiedezange auseinander, und Agatha versorgte die Wunde, so gut sie konnte. Allerdings sollte es noch etwa zweihundert Jahre dauern, ehe die Erreger der Sepsis identifiziert würden (einstweilen blieben die Kleinsttierchen noch unsichtbar – jeder Narr wußte ja, daß die Nachtnebel eine Wunde schwarz werden ließen und daß entweder das Auftauchen oder das Ausbleiben von Kometen ihr Verheilen begünstigte), daher wurde Jeremias’ Knöchel mit schmutzigen Lumpen verbunden und sich selbst überlassen. Fünf Tage später hatte der Unterschenkel des Jungen die Farbe von verfaultem Kürbis, und eine blasse, molkeartige Flüssigkeit sickerte unter der Bandage hervor. Fieber setzte ein. Mohonk verschrieb frischen Biberurin, doch jeder Biber, den er schoß, entleerte gemeinerweise seine Blase, ehe er ihn an Land ziehen konnte. Das Fieber wurde schlimmer. Am siebenten Tag trat Harmanus durch die Tür, in der Hand die Zugsäge vom Holzstapel. Eine halbe Meile entfernt, hoch oben auf dem Rand von Blue Rock, zusammen mit Jan Pieterse und einem Fäßchen Barbados-Rum, versuchten Mohonk, Katrinchee und Klein Wouter, ihre Ohren vor den wahnsinnigen, atemlosen Angstschreien zu verschließen, die die Vögel zum Verstummen brachten wie die hereinbrechende Nacht.
    Wundersamerweise überlebte Jeremias. Harmanus nicht. Als Knochen sich von Knochen trennte und das Lager seines Sohnes nur noch ein schäumendes Chaos aus Fleisch und sprudelnden Körpersäften war, warf er die Säge hin und stürzte kopfüber in den Wald hinaus, stöhnend wie ein Pferd, dem in die Gedärme geschossen worden war. Er rannte fast zwei Meilen weit, dann warf er sich mit dem Gesicht voran in die Büsche, wo er bis nach Sonnenuntergang regungslos liegenblieb. Am nächsten Tag begann seine Haut zu jucken, dann überzog sie sich mit Pusteln; am Ende der Woche lag er rücklings auf der Matte neben seinem Sohn, die Augen zugeschwollen, ein Gesicht wie der Alptraum eines Aussätzigen. Wieder rief man nach Mohonk, diesmal, um Sassafrasumschläge auf die wunden Stellen zu legen; als dies ohne Wirkung blieb, bat Agatha den Gutsherrn flehentlich, flußabwärts nach Huysterkarkus zu schicken. Van Wart tat dies alles sehr leid, doch helfen mochte er nicht.
    Katrinchee hatte keine Schuld. Schon möglich, daß sie von Mohonk geträumt hatte, wie er sie in der vorigen Woche angefaßt hatte, als sie beim Herumtollen aus dem eiskalten Wasser des Acquasinnick Creek aufgetaucht waren; schon möglich, daß sie sich beim Unkrautjäten auf dem neuen Kohlbeet das Handgelenk verstaucht hatte, aber es hätte jedem anderen auch passieren können. Das mit der gekochten Hirschkeule nämlich. Sie ging mit dem Topf auf den Tisch zu, der ganze Raum war sowieso viel zu eng, winzig, menschenunwürdig, gerade so groß wie das Klohäuschen drüben in Zeeland damals, da stieß sie gegen die Milchkanne, rutschte in ihren Holzschuhen auf dem Boden aus und kippte die ganze Brühe – heiß genug, um Belagerer einer Festung zu

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