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Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik

Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik

Titel: Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brockhaus
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detailverliebte Schreibweise ist nicht nur überaus realistisch und in ihrer Plastizität beeindruckend, sondern bisweilen auch langweilig, trocken und eintönig. Dies wurde auch von Virginia Woolf in ihrer wortgewandten Würdigung Defoes nicht unterschlagen.
    »Das Leben und die seltsamen Abenteuer des Robinson Crusoe … Welcher achtundzwanzig Jahre ganz allein auf einer unbewohnten Insel … lebte …« Der für seine Zeit nicht ungewöhnlich lange Titel – im Original nimmt er gut fünf Zeilen ein – kündigt einen Abenteuerroman an, doch »Robinson Crusoe« ist mehr. Zunächst verspricht der Hinweis »Geschrieben von ihm selbst« Authentizität, und tatsächlich geht der Roman auf eine wahre Begebenheit, die Abenteuer des Schotten Alexander Selkirk, zurück. Durch die Erzähltechnik des detaillierten Tatsachenberichts wurde »Robinson Crusoe« zum ersten realistischen Roman, der aufgrund seines sensationellen Erfolgs eine Flut von Nachahmungen nach sich zog, die so genannten Robinsonaden. Die beiden Fortsetzungen des »Robinson Crusoe«, die Defoe 1719 und 1729 verfasste, fanden allerdings bei weitem nicht so viel Anklang wie das erste Buch.
    ALEXANDER SELKIRK
    (* 1676, † 1721)
    1712/13 erschienen in England mehrere Berichte über den schottischen Abenteurer Alexander Selkirk, u. a. »The Englishman« von Richard Steele (1713). Von ihnen ließ Daniel Defoe sich zu seinem Roman »Robinson Crusoe« anregen.
    Der Matrose Selkirk fuhr seit 1695 zur See. Im September 1704 ließ er sich nach einem Streit mit seinem Kapitän auf der Insel Más a Tierra (heute Isla Róbinson Crusoe), 640 Kilometer westlich von Valparaiso (Chile), aussetzen. Der Streit rettete dem Matrosen indirekt das Leben, denn das Schiff sank später und fast die gesamte Mannschaft kam ums Leben. Selkirk lebte auf der Insel, bis er 1709 von Kapitän Woodes Rogers gerettet wurde.
    Aus den Veröffentlichungen über Selkirks Abenteuer auf der Insel verwendete Defoe sogar einige Einzelheiten für seinen Roman: So jagt Robinson wie Selkirk Ziegen, kleidet sich in deren Häute und liest in der Bibel. Allerdings wandelte Defoe Ort und Dauer des Aufenthalts ab und beschrieb die ganze Lebensgeschichte des Helden.
    Seine innere Dynamik bezieht »Robinson Crusoe« aus der maßlosen Ruhelosigkeit seiner Hauptfigur, die sich in die Lebensumstände nur schwerlich einfinden kann und einmal Erreichtes fortwährend überwinden will, selbst wenn hierzu große Risiken in Kauf genommen werden müssen. Die nach zahlreichen lebensgeschichtlichen Verwicklungen errungene sichere Position eines wohlhabenden Plantagenbesitzers in Brasilien gibt Crusoe auf, um persönlich afrikanische Sklaven nach Südamerika zu holen, anstatt sie bei einem Sklavenhändler zu erwerben. Ein Schiffbruch auf der Hinreise dieser Expedition verschlägt Crusoe als einzigen Überlebenden auf eine einsame Insel im Mündungsgebiet des Orinoco. Er nimmt die praktische Herausforderung beherzt an und verwendet viel Mühe darauf, sich auf der Insel behaglich einzurichten. Dennoch hadert er mit seinem Schicksal und lernt sich erst nach einem für Defoes Romane charakteristischen Bekehrungserlebnis auch innerlich in seine neue Lebenssituation einzufinden. Er akzeptiert scheinbar ein für alle Mal das Wirken der göttlichen Vorsehung, zeigt tiefe Reue über sein bisheriges gottloses Leben und sieht sogar Anlass, Gott dankbar zu sein. Zugleich lässt er jedoch nicht ab von seiner sich vorwiegend in Machtfantasien ausdrückenden Maßlosigkeit. Er träumt davon, eine die Insel gelegentlich aufsuchende Gruppe von Kannibalen niederzumetzeln, und davon, Herrscher über ein kleines Königreich mit einer verlässlich befestigten Burg, einem Landsitz und mit Katzen als seinen Günstlingen zu sein. Durchbrochen werden diese Einbildungen von nicht weniger eindrücklich ausgemalten Angstzuständen, die gleichfalls durch die Kannibalen ausgelöst werden, als deren baldiges Opfer sich Crusoe sieht. Wirklich abzufinden vermag er sich mit seinem als jämmerlich empfundenen Zustand trotz aller gegenteiligen Beteuerungen niemals.
    Die Modernität Defoes erweist sich in der Gebrochenheit seiner Figuren, die auch durch das bereitstehende Gerüst einer puritanischen Bekehrungsbiografie nicht mehr vollends wieder herzustellen ist. Vordergründig moralisierende Passagen, die allzu schlichte Lebensregeln anzubieten scheinen, werden in seinen Romanen ständig durch das flatterhafte Verhalten der zentralen Gestalten konterkariert,

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