Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
Mutter. Dass sich schon bald ein liebevolles Verhältnis zwischen den beiden entwickeln konnte, lag auch daran, dass Kriegsunruhen dazu führten, dass Susette Gontard zusammen mit ihren Kindern, deren Erzieherin und Hölderlin Frankfurt verließ, worauf sie in Kassel und Bad Driburg eine glückliche gemeinsame Zeit verbrachten.
Das Liebesverhältnis wurde im Lauf der Zeit jedoch ausgesprochen kompliziert, und im Herbst 1798 musste Hölderlin – nicht zuletzt auf den ausdrücklichen Wunsch von Susette hin – das Haus der Gontards verlassen. Doch bereits wenige Tage nachdem Hölderlin gegangen war, begann ein Briefwechsel zwischen Susette und dem Dichter, der sich über einen Zeitraum von etwa eineinhalb Jahren erstreckte.
Die überlieferten Briefe sind ein Zeugnis großer Liebe und tiefer Sehnsucht. In einem Brief von Susette an Hölderlin, der Ende September 1798 entstand, heißt es unter anderem: »Da kam der Wunsch in mich, noch durch geschriebene Worte, ihr [gemeint ist die reine Liebe] ein Monument zu errichten, das unauslöschlich die Zeit doch unverändert schonet. Wie möchte ich, mit glühenden Farben, bis auf ihre kleinsten Schattierungen, sie malen, und sie ergründen, die edle Liebe des Herzens, könnte ich nur Ruhe und Einsamkeit finden.«
Als sich Hölderlins musische Beziehung zu Susette in eine erotische verwandelte, wurde der Bruch unausweichlich. 1798 verließ er Frankfurt.
DER TOD DES EMPEDOKLES
Von Frankfurt aus begab sich Hölderlin 1798 ein erstes Mal, und zwar für zwei Jahre, nach Homburg. Sein Versuch, sich dort als freier Schriftsteller niederzulassen, schlug allerdings fehl. Auch die zusammen mit dem Verleger Steinkopf 1799 geplante literarische Zeitschrift »Iduna« kam nicht zustande. Goethe, Schiller und andere befreundete Dichter weigerten sich nämlich aus unterschiedlichsten Gründen, daran mitzuarbeiten. Überhaupt brachte die Folgezeit für Hölderlin nur wenig Glück. Ein Hauslehrerposten bei einer Patrizierfamilie in Hauptwil in der Schweiz im Jahr 1801 dauerte nur ein paar Monate; der im selben Jahr von Hölderlin gefasste Plan, an der Universität Jena über griechische Literatur zu lesen, scheiterte und eine erneute Hauslehrerstelle in Bordeaux 1802 blieb ebenfalls nur eine kurzfristige Angelegenheit. Dass Hölderlin kaum noch irgendwo länger blieb, scheint auch ein Indiz für seine psychische Erkrankung zu sein, die sich damals immer stärker bemerkbar machte.
›Die Deutschen sind tatenarm, aber gedankenvoll.‹
Friedrich Hölderlin
Etwas besser gestaltete sich der zweite Homburger Aufenthalt des Dichters, der von 1804 bis 1806 dauerte. Hölderlin fand damals einen Mäzen, da ihn der Landgraf von Homburg auf Betreiben seines Freundes Isaak von Sinclair als Bibliothekar in seine Dienste nahm. So kam zu spärlichen Honorarzahlungen für die literarischen Veröffentlichungen immerhin ein kleines Gehalt. Ansonsten lebte Hölderlin von den knappen Zuwendungen aus den Zinsen seines eigentlich stattlichen Erbes, das jedoch die Mutter ziemlich knauserig verwaltete.
In die erste Homburger Zeit fiel Hölderlins Arbeit am Empedokles-Projekt. 1797 konzipierte er den so genannten Frankfurter Plan der Tragödie. In Homburg entstanden die drei Fragment gebliebenen Fassungen, die erste und dritte in Blankversen, die zweite in freien Rhythmen gehalten. Im Mittelpunkt des Dramas steht der sizilianische Naturphilosoph, Dichter, Arzt, Priester und Zauberer des 5. Jahrhunderts v. Chr. Voller Anmaßung will er sich zum Verwalter der Natur emporschwingen. Und er strebt – wie Diotima – die Versöhnung der göttlichen Natur mit den Menschen und der Gesellschaft an. Wie ein Heiland tritt er, mit allen Naturkräften vertraut, unters Volk, das jedoch uneinsichtig und materialistisch bleibt und ihn, aufgewiegelt von den weltlichen und religiösen Anführern, mit Steinwürfen verjagt. Empedokles will in dieser Tragödie des Wissens durch eine letzte Tat die Götter wieder versöhnen – er stürzt sich in die Flammen des Ätna. Angesichts dieses Opfertodes, so hofft er, werde auch das Volk zu Mündigkeit und Selbstbestimmung bekehrt. Im Sinne spätaufklärerischer politischer Ideen wird Freiheit weniger erkämpft als gegeben.
IM TURM
Die psychische Katastrophe hatte sich schon um einiges früher angekündigt. Als Hölderlin aus Bordeaux in Richtung Homburg abreiste, trug er bereits die Anzeichen geistiger Umnachtung mit sich. Am 1.. September 1806 lieferte man ihn als Geisteskranken ins
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