Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Barock bis Klassik
zurückkehren zu dürfen, ist voller Zauber und Spannung. Der Dichter gelangt zu einer Bestimmung des Traums als Wunscherfüllung, die später Sigmund Freud in seiner »Traumdeutung« (1900) analytisch auf den Nenner bringen wird.
›Die Revolution ist so erbärmlich, dass ich mich im Namen meiner Landsleute schäme, dass sie, wenn sie schon krawallen wollen, es gar so unscheinbar anfangen.‹
Franz Grillparzer
In das Jahr 1838 fiel der wichtigste Einschnitt in Grillparzers literarischer Laufbahn. Sein glänzend geschriebenes, doppelbödig philosophisches Lustspiel »Weh dem, der lügt!« (1840 publiziert) wurde bei der Uraufführung von Publikum und Kritik einhellig abgelehnt, da es den Erwartungen an eine Vorstadt-Posse nicht gerecht wurde. Zudem beleidigte es durch die karikiert angelegte Gestalt des Atalus, eines engherzigen und beschränkten Junkers, die adligen Stammabonnenten des Burgtheaters, die ihre Logen demonstrativ verließen und empört die Türen hinter sich zuschlugen. Nach dem Skandal dieser Premiere zog sich Grillparzer vollständig aus dem literarischen Betrieb zurück und verfasste – mit wenigen Ausnahmen – nur noch Werke für die Schublade. Er war nicht mehr ausschließlich, wie er sagte, »ein armer Fremdling in seinem Vaterland«, sondern auch ein Fremdling in seiner Zeit geworden, in der das Theater längst von den Höhen der Klassik in die Niederungen spießbürgerlicher Schwänke herabgesunken war. Die Zeit des Atemholens ging unglücklich zu Ende.
AUF DEM ABSTELLGLEIS
Noch einmal, ein letztes Mal, begab sich Grillparzer auf große Reise, diesmal, 1843, nach Konstantinopel und Athen. Ansonsten aber litt er unter dem Alltag und unter der politischen Situation. Im Revolutionsjahr 1848 schreckte ihn das neue Nationalgefühl der Tschechen, Ungarn und Italiener ab, seine eigene Haltung wandelte sich vor diesen Ereignissen entscheidend. Er erklärte sich in dem Gedicht »An Radetzky« solidarisch mit der erzkonservativen Armeeführung. Und er entwarf das Stück »Ein Bruderzwist in Habsburg«. Es behandelt den angeblich edlen, menschenscheuen und friedliebenden Kaiser Rudolf II., der –wie Grillparzer selbst – misstrauisch gegenüber aller Entscheidung, willensschwach, zwiespältig und pessimistisch, Krieg und Umsturz nicht aufhalten kann. Das zu Lebzeiten des Dichters nicht mehr aufgeführte Stück beinhaltet eine deutliche Absage an die revolutionären Tendenzen des Jahres 1848, die den Vielvölkerstaat Österreich zu sprengen drohten.
Zwischen 1832 und 1856 leitete Grillparzer als Direktor das Hofkammerarchiv. Dies schien eine einflussreiche Stellung zu sein, war jedoch in Wirklichkeit eine Art Abstellgleis für den berühmten, aber nicht gern gesehenen Dichter. Seine Beamtenpflichten hielten ihn viel zu oft von der Kunst ab, die Zensur lähmte seine Kreativität und finanzielle Sorgen ließen ihn nur für kurze Zeit an ungestörte literarische Tätigkeit denken. Während der Restauration wurde eine reaktionäre, gerade auch den Intellektuellen gegenüber feindliche Politik ausgeübt, unter deren willkürlicher Bürokratie die Bürger und insbesondere auch Grillparzer zu leiden hatte. Erst in seinem letzten Lebens jahrzehnt erhielt der Dichter öffentliche Ehrungen – »zu spät«, wie er empfand: So wurde er 1861 Mitglied des österreichischen Herrenhauses, was ihm den Hofratstitel einbrachte; 1864 wurde er Ehrenbürger Wiens. Seinen 80. Geburtstag 1871 feierte man pompös. In jenem letzten Jahrzehnt erlebte Grillparzer einen politischen Umbruch wahrhaft historischen Ausmaßes. Auf die Niederlage Österreichs gegen Preußen 1866, durch die die Großmachtstellung des Habsburgerreiches gefährdet wurde, folgte 1870/71 der deutsch-französische Krieg, der in die Gründung des Deutschen Kaiserreichs und Nationalstaates mündete. Die damit zementierte kleindeutsche Lösung unter Ausschluss Österreichs lehnte Grillparzer bis zuletzt ab.
GRILLPARZERS »DES MEERES UND DER LIEBE WELLEN«
Eine der bekanntesten Gestaltungen des griechischen Mythos von Hero und Leander ist Grillparzers lyrisches, äußerst sprachmusikalisches Schauspiel »Des Meeres und der Liebe Wellen«. Es wurde 1831 in Wien uraufgeführt, stieß aber beim Publikum auf wenig Gegenliebe und musste nach wenigen Aufführungen abgesetzt werden, erst in den 1850er-Jahren sollte es Erfolg haben.
Hero ist Priesterin der Aphrodite und hat als solche jeden Kontakt mit der Außenwelt zu unterlassen und auch der Liebe zu
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