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Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus

Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus

Titel: Worte bewegen die Welt - Die großen Dichter und Schriftsteller - Realismus und Naturalismus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brockhaus
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Meisterschaft angelangt. Er wurde in ganz Europa gelesen, galt als moralische Autorität und war trotz seiner beharrlichen Sozialkritik in fast allen Kreisen der oberen Gesellschaft willkommen. Gleichzeitig brachten ihm seine Bücher so viel Geld ein, dass er sich einen großbürgerlichen Lebensstil und standesgemäße Reisen nach Italien, in die Schweiz und nach Frankreich leisten konnte.
    DIE REIFE ROMANFORM
    Nach dem großen Erfolg von »David Copperfield« wechselte Dickens noch einmal die Publikationsform. Er gründete die Wochenzeitschrift »Household words«, die ihren Lesern als Hauptthema die Fortsetzungsfolge eines Dickens-Romans präsentierte, daneben aber auch unsignierte Beiträge anderer Autoren mit teils erzählendem, teils sozialkritischem Inhalt. Seinem ersten hier erscheinenden Roman, »Bleak house« (»Bleakhaus«, ab März 1852), gab er eine charakteristische Form, die er in der Folgezeit beibehalten sollte. Es ist die Form des Detektivromans, in dessen Zentrum die Aufdeckung eines Geheimnisses steht. Von diesem Zeitpunkt an entfaltete sich die Handlung seiner Romane auf zwei Ebenen: Während die Gegenwartshandlung voranschreitet, wächst eine in der Vergangenheit zurückliegende, verborgene Kausalreihe auf die Gegenwartshandlung zu, greift wie ein Schicksal in das Leben der Helden und Heldinnen ein und zwingt sie, sich durch Aufklärung von der Verstrickung zu emanzipieren. Damit hatte Dickens eine Erzählform, die es gestattete, den Leser über viele Fortsetzungsfolgen hinweg in Spannung zu halten, die aber gleichzeitig die Möglichkeit bot, darin die Fremdbestimmung des Menschen durch äußere Zwänge zum Thema zu machen. Diese künstlerische Adelung des Detektivromans wird in »Bleak house« zum ersten Mal deutlich, sie setzt sich in »Little Dorrit« (»Klein Dorrit«, ab Dezember 1855) fort und erreicht in den beiden letzten Romanen, in »Great expectations« (»Große Erwartungen«, ab Dezember 1860) und in »Our mutual friend« (»Unser gemeinsamer Freund«, ab Mai 1864) ihre höchste Vollendung. Nur in »Hard times« (»Harte Zeiten«, 1854) wirkt das Detektivische wie aufgesetzt. Hier hatte Dickens die Selbstbehauptung des Menschen gegen die auf Nutzen und Profit gerichtete Industrie so explizit thematisiert, dass für symbolische Vertiefung wenig Raum blieb. Er kritisierte darin das ungehemmte, noch nicht durch den Sozialstaatsgedanken eingegrenzte Gewinnstreben der Industrie und das erzeugte Massenelend in den Industriestädten. Dieses so genannte »Manchestertum« bedeutete für ihn die Widerlegung liberaler Ideologien, die die Meinung vertraten, dass »das freie Spiel der Kräfte« zum Ausgleich der Interessen von Arbeitnehmern und Arbeitgebern führen würde.
    DAS MANCHESTERTUM
    Das »Manchestertum« bezeichnet den extremen wirtschaftlichen Liberalismus des frühen 19. Jahrhunderts. In ihm wird das freie Spiel der wirtschaftlichen Kräfte ohne staatliche Eingriffe als Grundprinzip der außenwirtschaftlichen wie auch der binnenwirtschaftlichen Ordnung postuliert.
    Das englische Manchestertum warb für den Pazifismus als Basis wirtschaftlichen Wohlstands, weil anders keine weltweite Arbeitsteilung zu begründen sei. Die Bezeichnung »Manchestertum« ist abgeleitet von der Stadt Manchester, deren Handelskammer erfolgreich gegen die Getreidezölle kämpfte.
    Allgemein wird als Manchestertum – häufig abwertend – die Lehre bezeichnet, die als treibende Kraft in der Wirtschaft und in der Gesellschaft nur den Egoismus des Einzelnen kennt.
    Doch ganz fehlt die Symbolik auch hier nicht. So wird neben zahlreichen Einzelbildern als Großsymbol ein Zirkus eingesetzt, der dem faktenbestimmten Nützlichkeitsglauben des Utilitarismus eine fantasievolle Gegenwelt gegenüberstellt. In keinem anderen Werk ging der Sozialkritiker Dickens mit seiner Zeit so hart ins Gericht wie in diesem, das er einem anderen wortgewaltigen Sozialkritiker, nämlich Thomas Carlyle, gewidmet hat.
    TRENNUNG UND LETZTE LIEBE
    Dass Dickens’ Ehe scheitern würde, war schon früh vorauszusehen. Zwei gegensätzlichere Temperamente hätten kaum zusammenfinden können: er selber fantasievoll, lebhaft und von unersättlichem Erlebnishunger, Catherine dagegen von eher trägem Naturell und obendrein dazu verurteilt, in den zwanzig Jahren ihres Zusammenlebens zehn Kinder zu gebären, was Dickens zunehmend als Beeinträchtigung des Familienfriedens empfand, ohne sich dafür mitverantwortlich zu fühlen.
    Deshalb sah es 1857,

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