Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)
Beispiel beim Popcorn oder an der Bar?«
Grundmann überlegte.
»Hm. Kennen ist sicher zu viel gesagt. Aber
mit dem einen ›Abreißer‹ hatte ich ein Gespräch über Action-Filme und die, die für
die nächsten Monate angekündigt sind. Auf seinem Namensschild stand Gustav. So ein
untersetzter, drahtiger Typ. Haare sind millimeterkurz und blondiert. Aber ob der
sich noch an mich erinnern kann?« Er machte ein skeptisches Gesicht.
»Wieder eine Sackgasse!«, schimpfte Nachtigall, als Skorubski
in die Leipziger Straße einbog.
»Wir fahren hin. Vielleicht kann sich dieser
Gustav ja tatsächlich erinnern – oder er hatte womöglich gar keinen Dienst. Beide
Varianten brächten uns ein Stück weiter.«
Als sie die Kreuzung mit der Thiemstraße
erreicht hatten, wechselte Nachtigall – ohne jede Überleitung – das Thema.
»Conny und ich heiraten, Jule heiratet ihren
Emile, und Opa werde ich auch! Uns stehen bewegte Monate ins Haus.«
»Na, da gratuliere ich aber. Opa auch gleich?
Wann kommt das Baby denn?«
»Im Sommer. Jule ist schon ganz high. Vorher
wollen die beiden noch heiraten. Für meinen Geschmack ist das alles viel zu früh.
Jule ist doch noch so jung! Sie hätte das Leben erst einmal genießen sollen.«
»Hast du schon einmal daran gedacht, dass
sie es vielleicht genau so genießt, wie es jetzt kommt? Kinder fallen nicht vom
Himmel – die jungen Leute heutzutage sind aufgeklärt und wissen, wie man Schwangerschaften
vermeidet. Dieses Kind ist doch sicher ein Wunschkind«, lachte Skorubski.
»Ja. Du hast recht. Sie wollten es beide.«
»Schön. Mädchen oder Junge?«
»Ist ihnen egal. Jule meint, umtauschen
ginge ja ohnehin nicht. Sie will es gar nicht wissen. Hoffentlich wird es nicht
so ein perfektionistischer Typ wie Emile. Mir wäre ein Lausemädchen oder ein Lausbub
mit Löchern in den Jeans und zerrissenen T-Shirts lieber«, erwiderte Nachtigall
heftig.
Skorubski grinste. »Nun sei mal nicht so
pessimistisch! Da ist doch auch eine Menge Nachtigallblut dabei. Und das wirkt sicher
dominant.«
64
Heide Fischer musste zur Arbeit.
Sie sah auf die Uhr und beschloss, trotz
des Regens mit dem Rad zu fahren. Eilig schlüpfte sie in ihren Anorak und setzte
eine Mütze auf. Schließlich kam es bei ihrem Job nicht darauf an, die Kunden mit
gutem Aussehen zu betören – das Einzige, das zählte, waren Geschwindigkeit und die
Qualität der Burger.
Sie stöhnte innerlich auf.
Das mit dem Mann fürs Leben musste wohl
noch aufgeschoben werden. Ganz mit ihren fatalistischen Gedankengängen beschäftigt,
bemerkte sie weder die Schritte, die vor ihr hereilten, noch die Gestalt, die vor
ihr die Treppe nach unten hastete. Im Keller angekommen, drückte sich der Schatten
in eine dunkle Nische und verschmolz mit dem Hintergrund.
Heide Fischers Überlegungen kehrten wieder
zu ihrem Ausgangsproblem zurück. Sie ärgerte sich. Kirk Damboe hatte sie auch nicht
erreicht. Nichts lief rund im Moment. War es nun ihre Aufgabe, die Polizei auf die
richtige Fährte zu stoßen, oder konnte sie sich darauf verlassen, dass die wackeren
Ermittler schon allein auf die Lösung kämen? Wie groß war die Gefahr, in der sie
schwebte, tatsächlich – und wenn sie jetzt schon in Lebensgefahr war, konnte es
dann noch schlimmer werden?
Sie erreichte den letzten Treppenabsatz
und öffnete die Tür.
Der Unbekannte drückte sich noch tiefer
in die Finsternis und hielt den Atem an.
Langsam hob sich die Machete.
»Scheiße!«, fluchte Heide Fischer, als der
Lichtschalter nur knackte, es aber nicht hell wurde. »Da schreibt man dauernd solche
Dinge ins Auftragsbuch des Hauswarts, und dann werden sie doch nicht erledigt!«
Zornig versuchte sie, sich daran zu erinnern,
in welcher Ecke sie das Rad abgestellt hatte.
Die lauernde Gestalt löste sich ein wenig
von der Wand, um besser ausholen zu können.
Heide Fischer betrat unsicher den Raum.
Tastend schob sie sich hinein, versuchte, mit dem Fuß Hindernisse zu erkennen.
»So ein Mist! Abgeschlossen ist es ja auch
noch. Wie soll ich in der Dunkelheit den Schlüssel ins Schloss stecken können?«
Sie stieß mit dem Fuß gegen den Leiterwagen
der Familie Schuster und schrie leise auf.
Die Gestalt sah ihre Chance, stieß sich
ab und eilte durch den Raum, die Waffe zum Schlag erhoben.
»Ist da wer? Hallo? Ich hör da doch was!«
Herr Grams leuchtete einen zittrigen Lichtkegel in den Fahrradkeller.
»Ich bin es nur.«
»Ah – Frau Fischer? Sind Sie das?«, fragte
der
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