Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)
betagte Herr nach.
»Ja, genau. Das Licht ist defekt.«
»Sie wollen wohl Ihr Fahrrad holen, wie?
Bei dem Wetter?« Er lachte rau. »Nur gut, dass ich immer meine Lampe einstecken
habe. Kriegstrauma. Bunker. Aber nun ist sie wirklich nützlich.«
Er reichte der jungen Frau die Lampe, und
Heide Fischer fand damit problemlos ihr Rad, funzelte sich auch genug Licht auf
das Schloss und gab im Rausgehen die Lichtquelle an Herrn Grams zurück.
»Danke. Ich muss los. Sie waren meine Rettung.«
Dabei ahnte sie nicht, wie sehr das stimmte.
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Burkhard Grün war es leid.
Endgültig.
Die Regelungen seiner Auftraggeber hatten
ihn zwar zum besten Freund der Wollschweine werden lassen, aber das war nicht das
Schlimmste. Ihm war bewusst geworden, wie sehr er sich selbst inzwischen in Gefahr
gebracht hatte. Die Fahrten nach Cottbus konnten durchaus jemandem aufgefallen sein
– und wer wollte dafür garantieren, dass die von ›Toll Collect‹ gesammelten Daten
über Privat-Pkws auch tatsächlich gelöscht wurden? Beim nächsten Mal, wenn es denn
eins gäbe, würde er nicht mit seinem eigenen Wagen fahren.
Dieser Auftrag schadete nicht nur seinem
Ruf, nein, auch seine Psyche litt unter dem ihm aufgezwungenen Arrangement.
Beim letzten Fotoshooting war schon einem
der Fotografen etwas aufgefallen.
»Dein Lächeln war auch schon mal strahlender«,
hatte der Knipser zu ihm gesagt. Unverschämtheit! Seither beunruhigte Burkhard Grün
jedoch die Frage, ob dieser Idiot nicht vielleicht sogar recht hatte.
Die Sache war aus dem Ruder gelaufen.
Und so ganz nebenbei hatte er immer deutlicher
den Eindruck, man benutze ihn vorwiegend zur Entsorgung.
Sein vorwurfsvoller Blick fiel auf die Tüte
mit zweifelhaftem Inhalt, die im Fußraum des Beifahrersitzes stand. Burkhard Grün
streifte die Handschuhe über. Wenigstens spielte das Wetter mit. Außer ihm kamen
bei diesem Dauerregen keine anderen Besucher auf den ›Mundenhof‹. Er warf einen
Blick in die Runde. Nur zwei weitere Autos parkten hier. Wahrscheinlich hartgesottene
Tierfreunde wie er. Er grinste bei diesem Gedanken und hoffte, die Wollschweine
hätten nicht schon eine Fütterung aus anderer Hand erhalten.
Die Begrüßung durch die kleine Rotte fiel
bei jedem Mal herzlicher aus.
»Heute bin ich zum letzten Mal hier, ihr
Schweine«, flüsterte er ihnen zu. »Ich spreche noch heute mit den Auftraggebern.
Dann ist Schluss – und für euch gibt es dann auch keine Extraleckereien mehr. Jedenfalls
nicht von mir.«
Nach einem raschen Blick übers Gelände begann
er, seine Köstlichkeiten an die begeistert quiekenden Abnehmer zu verteilen.
Immer wieder sah er sich sichernd um, doch
es bot sich ihm nur das inzwischen vertraute Bild. Er war mit den Schweinen und
dem Regen allein.
Zügig war alles weitergegeben.
Kauende Schweine bewegten sich zufrieden
über ihre ziemlich matschige Anlage.
Burkhard Grün wartete wie üblich einige
Minuten, ehe er sich zum Gehen wandte. Er war schon mehrere Schritte vom Gehege
entfernt, als ihn die Erinnerung an einen flüchtigen Sinneseindruck wieder zurück
ans Gatter trieb.
Und richtig.
Ziemlich weit vom Zaun entfernt lag einsam
im Dreck ein menschliches Auge.
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»Michael, was hast du inzwischen über diese Voodoo-Angelegenheit
herausgefunden?«
»Ja. Es ging dabei tatsächlich um Menschenhandel.
So etwas hatten wir schon vermutet. Frauen kamen über Schlepper illegal ins Land.
Man behauptete, die Kosten für die Einreise seien immens und sie müsste’ diese Kosten
abarbeite’ – durch Prostitution. Die Frauen wagten nicht, sich zu widersetze’, weil
man ein besonderes Druckmittel hatte. Vor der Ausreise wurde’ ihnen Haare und Nägel
g’schnitten, Fotos gemacht. Sie wussten alle, dass ein Bokor sie damit verhexen
konnt’. Es gibt Voodoo-Rituale, bei denen Haare und Nägel verwendet werden, um jemanden
zu töten, in den Wahnsinn zu treibe’, in einen willenlosen Dämon zu verwandeln.
Die Polizei kam dahinter und befreite die Frauen«, erzählte Michael Wiener.
»Und – wurden die Hintermänner bestraft?«
»Ich glaube nicht, dass alle erwischt wurden.
Die Gruppe agierte übrigens tatsächlich in Freiburg. Möglicherweise tut sie es noch.«
»Wir treffen uns mit den Kollegen. Besprechung
in einer Stunde!«, verfügte Nachtigall und stürmte aus dem Büro.
Eine Stunde später versammelten sie sich in großer Runde
zur Lagebesprechung.
»Diese Mordserien in Cottbus sind noch immer
nicht aufgeklärt – von Anfang
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