Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)
schmutzigen
Wäsche war entfernt worden.
Sie hatten Serafine umgebracht.
Er hatte genug gesehen.
Hasserfüllt stapfte er in die Bar zurück.
Aus Ramona Alvarez’ Büro drang leise Musik in den Barraum.
Das bedeutete, sie wollte ungestört sein
– hatte sich hingelegt und versuchte zu entspannen, um für einen langen Abend gerüstet
zu sein.
Oder gab es etwa noch einen anderen Grund?
War sie dabei, die Erinnerung an seine wundervolle
Serafine zu löschen, die sie in den Tod geschickt hatte?
Bengabo stand zornbebend vor der Tür zum
Allerheiligsten, drauf und dran, einfach einzutreten und Rechenschaft zu fordern.
Gerade noch rechtzeitig fiel ihm ein, wie dumm eine solche Aktion wäre. Man würde
ihn einfach ebenso verschwinden lassen. Frau Alvarez könnte ungehindert ihre Geschäfte
fortführen, und schon bald käme eine andere junge Frau in eine ähnliche Situation
wie Serafine. Nein!, beschloss er, zuerst mussten Beweise gefunden werden!
Im Keller, überlegte er, dort würde er seine
Suche beginnen.
Zügig durchquerte er den Raum, öffnete im
Eingangsbereich eine Tür mit der Aufschrift ›Privat‹ und glitt über eine Wendeltreppe
in den Keller hinunter.
Im Waschraum lief eine der drei großen Maschinen.
Bengabo versuchte durch das Bullauge zu erkennen, was sich hier drehte. »Bettwäsche«,
flüsterte er und suchte in den umstehenden Körben, deren bunter Inhalt noch auf
Reinigung wartete. Nichts. Diese Kleidungsstücke hatte er an Serafine noch nie gesehen.
Hinter einer quietschenden Holztür, die
in einen abgelegenen und nicht benutzten Bereich des Untergeschosses führte, fand
er, was er suchte.
Einen Weidenkorb.
Mit Serafines Wäsche!
Er stöberte.
Fand ein blutbespritztes T-Shirt und Jeans.
Panik schoss einer Stichflamme gleich in
ihm empor, und um ein Haar hätte er doch noch auf dem Absatz kehrtgemacht, um in
Ramona Alvarez’ Büro zu stürmen. Es kostete ihn alle Kraft, sich unter Kontrolle
zu halten.
Serafine!
Ermordet!
Diesmal gab es keinen Raum mehr für Zweifel.
Sein Atem ging rasselnd, und er hörte, wie
sein Herz in der Brust arbeitete. Langsam setzte das logische Denken wieder ein.
Ein Plan nahm Formen an.
Rasch schob er sich die blutigen Beweisstücke
unter die Jacke.
Sie hatten den Bogen überspannt!
Diesmal konnten sie ihre Köpfe nicht mehr
aus der Schlinge winden.
Oh, nein! Er, Bengabo, würde den Tod Serafines
nicht ungesühnt lassen.
68
Nachtigall traf sich mit dem Barkeeper des ›L’Amour‹ im
›Mosquito‹.
Die Bedienung lächelte ihn freundlich bis
verschwörerisch an, als sei er hier Stammgast. Und in gewisser Weise stimmte das
sogar. Conny kam gerne hierher, ihr gefielen die lockere Atmosphäre, das Ambiente,
die Musik, und sie hatte längst ihr Lieblingsgericht gefunden.
Nachtigall wusste, dass sich von den Nebentischen
niemand für ihr Gespräch interessieren würde. Junge Leute saßen um diese Zeit hinter
bunten Cocktails und waren mit sich und ihren eigenen Diskussionen beschäftigt.
»Madame Alvarez hat Geschäftspartner, die
vor gar nichts zurückschrecken«, Bengabo rang verzweifelt die Hände. »Verstehen
Sie – vor gar nichts. Die gehen über Leichen. Und eines ihrer Opfer ist jetzt Serafine!«
»Welcher Art sind denn diese Geschäfte,
wenn die so gefährlich sind?«
Die Kellnerin stellte einen Latte macchiato
und einen Milchkaffee vor ihnen auf den Tisch und ging mit ihrem beladenen Tablett
rasch weiter.
»Geschäfte mit Frauen«, flüsterte Bengabo.
»Erzählen Sie mir mehr!«
Der Barkeeper des ›L’Amour‹ sah reflexartig
über seine Schulter, als erwarte er, seine Chefin könnte ihn belauschen.
»Es kommen illegale Frauen zu uns. Sie arbeiten
umschichtig im Club. Meist werden die Freier, die vorher auf ihre Verschwiegenheit
getestet werden, zu ihnen gebracht.«
»Und nun ist Serafine verschwunden?«
»Ja. Und ich habe Beweise dafür, dass man
sie umgebracht hat. Sie müssen mir nur vertrauen.«
Nach einem weiteren, nervösen Blick über
die Schulter zog er das blutbesudelte T-Shirt Serafines unter seiner Jacke hervor.
69
Norbert Grundmann freute sich über den Besuch.
Es war auf die Dauer schrecklich langweilig,
im Krankenhaus liegen zu müssen.
Kirk Damboe war unterhaltsam und Kristina
Morgental schlecht gelaunt. »Angefressen« nannte sie diese Stimmungslage, und nach
der festen Überzeugung Grundmanns musste sie hungrige Parasiten beherbergen, denn
dieser angefressene Zustand hatte bei ihr chronische Züge.
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