Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)
Vor dem Krankenzimmer
unterhielten sich die drei Beamten, die zum Schutz der Studenten abgestellt worden
waren, über das Wetter, das bevorstehende Wochenende, die geplanten Weihnachtsferien
und die langen Schatten, die dieses Fest schon Wochen vor dem Heiligen Abend warf.
»Eigentlich kann es doch nur jemand sein, der uns kennt.«
»Kristina, das haben wir doch ein paar Mal
festgestellt. Es gibt jemanden, der genau weiß, mit wem Claudine befreundet war.
Außer uns dreien gibt es noch diese Blonde. Vier engere Kontaktpersonen sind demnach
noch übrig«, murrte Kirk. »Was rauchst du eigentlich für ein Kraut? Geht ganz schön
aufs Gedächtnis.«
»Solange wir bewacht werden, kann uns wohl
niemand auflauern. Ich bin sicher, diese andere Frau hat auch einen persönlichen
Schutzengel bekommen. Wie soll der Mörder jetzt noch zuschlagen?«
Norbert Grundmann unterdrückte ein Stöhnen.
Kristina konnte manchmal wirklich bemerkenswert
naiv sein.
»Wenn es aber niemand ist, der uns kennt
– sondern einer von uns?« Kirks Augen leuchteten intensiv, als er diese Frage stellte.
»Nun, wenn ich der Täter bin, seid ihr jetzt
alle auf der sicheren Seite«, scherzte Grundmann lahm. Wie weit war Kirk eigentlich
tatsächlich vom Voodoo-Kult seiner Vorfahren entfernt, schoss ihm durch den Kopf,
während er nachdenklich den hochgewachsenen, sportlichen Schwarzen betrachtete.
»Also echt!«, Kristina war entrüstet. »Solch
kranke Ideen können auch nur in deinem Hirn entstehen. Ich geh mir jetzt erst mal
einen Kaffee holen – wenn bei meiner Rückkehr nur noch einer von euch am Leben ist,
bin ich wenigsten aus dem Spiel.«
Nachtigall griff zum Telefon und legte es dann wieder zur
Seite.
»Nein, so werde ich wohl gar nichts erfahren«,
murmelte er und beschloss, zum ›L’Amour‹ zu fahren.
Wie erwartet, stand Bengabo hinter dem Tresen.
»Sie?«
»Ich kann doch sicher bei Ihnen auch einen
Kaffee bekommen?«
Während die Maschine röchelte und fauchte,
neigte sich der Barkeeper zu Nachtigall hinüber.
»Kommen Sie als Kunde?«, fragte er verschwörerisch.
»Nun, nicht nur. Ich habe noch ein paar
Fragen an Frau Alvarez.«
»Das ist gut. Dann nutzen Sie doch diese
Chance und fragen Sie nach Serafine, bitte! Ich will wenigstens wissen, wo man sie
verscharrt hat – und dieses Geschäft ist hart, eiskalte und geldgierige Menschen
betreiben es – passen Sie auf, dass wir beide nicht auch in Gefahr geraten.« Bengabo
drehte sich um und hantierte mit dem Geschirr.
»Vielleicht kann man sie ja auch noch retten«,
sagte er plötzlich, und seine Augen flehten offen um Hilfe.
»Das Geschäft ist sicher hart, keine Frage.
Ich denke, Serafine ist nur Gast in diesem Haus?«
Bengabo wischte diese Entgegnung mit einem
genervten Schütteln der Hand beiseite.
»Das haben Sie doch nie geglaubt«, schnaubte
er dann.
»Wenn ich Ihnen helfen soll, müssen Sie
auch etwas für mich tun.«
Bengabo seufzte. Er hatte es nicht anders
erwartet, so lief das eben mit der Polizei. Hier gab es nichts umsonst, dachte er,
und stellte fest: »Sie wollen wissen, wo die Frauen sind, die illegalen.« Er zögerte
mit dem nächsten Zug. »Wenn ich Ihnen das verrate, bin ich meinen Job los.«
Peter Nachtigall drängte den Barkeeper nicht.
Kirk Damboe wartete, bis sich die Tür hinter Kristina geschlossen
hatte.
Dann beugte er sich hinunter und kramte
in seinem Rucksack.
»Na, Norbert, da waren’s nur noch zwei.
Ich sehe schon die ganze Zeit, wie es hinter deiner Stirn arbeitet.« Er wühlte noch
immer. »Kristina, denkst du, Kristina hat auch einen ordentlichen Schlag weg, aber
sie glaubt eher an irgendwelche Naturgeister. Mit Voodoo kann sie nichts anfangen,
zu abgehoben, zu weit weg. Bleibt doch nur noch Kirk, der Schwarze. Bei dem weiß
man doch nie, ob er nicht doch … Oh ja. Ich sehe deine Zweifel.«
»Quatsch! Sag mal, was suchst du da unter
meinem Bett eigentlich? Ich kann kaum verstehen, was du brabbelst«, beschwerte sich
Grundmann und hörte selbst die anschwellende Panik in seiner Stimme. Damboe würde
sie nicht entgehen, da war er sich sicher.
»Mein Messer. Es muss irgendwie unter die
Hefter gerutscht sein.«
Grundmann fand, Damboe klinge diabolisch,
wie ein Mensch, der sich mit niederträchtigen Plänen und Absichten trägt.
Er überlegte ernsthaft, ob es nicht eine
gute Idee wäre, um Hilfe zu schreien.
»Hier ist Ihr Kaffee«, Bengabo schob dem Hauptkommissar
die Tasse zu.
»Danke. Mit Frau Alvarez spreche
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