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Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)

Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)

Titel: Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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geblümten Porzellanbecher und fischte einen Löffel
aus der Schublade. Dann stellte er Kanne und Milchgießer vor Albrecht Skorubski
ab und meinte: »Self-Service.«
    Ohne mit der Wimper zu zucken, griff der
Ermittler zu und schenkte sich ein.
    »Sie sind schon wieder hier. Also haben
Sie den Mörder noch nicht gefasst.«
    »Stimmt. Erzählen Sie mir von Claudine.«
    »Was soll ich Ihnen da erzählen? Sie war
ein bisschen seltsam. Aber mal ehrlich – sind wir das nicht alle?«
    Skorubski verkniff sich ein Grinsen. Diese
Antwort hätte Nachtigall sicher gut gefallen, amüsierte er sich, probierte vom Kaffee
und goss einen großzügigen Schluck Milch nach.
    »Sie war unglaublich ehrgeizig. Eine von
denen, die ihren Abschluss so schnell wie möglich in der Tasche haben wollen. Manchmal
verhielt sie sich Unbekannten gegenüber abweisend, als sei sie überzeugt, der andere
habe böse Absichten. Vielleicht hat sie mal schlechte Erfahrungen gemacht. Vergewaltigung
oder so. Auf Haiti sind die Sitten rauer.«
    »Aha – Sie waren schon dort?«
    Kirk Damboe sah Skorubski verblüfft an,
und der Ermittler glaubte ein zartes Erröten zu bemerken.
    »Nein. Aber ich habe ein paar Reportagen
gesehen. Sie wissen schon: Bildungsfernsehen.«
    »Hm. Haben Sie vielleicht bei irgendeiner
Gelegenheit Freunde von Claudine kennengelernt?«
    »Sie meinen jetzt außer Meinert, Norbert,
Beate und Kristina? Eigentlich nicht. Einmal auf dem Weg zur BTU hat sie eine blonde
Frau getroffen. Mit der muss sie näher befreundet gewesen sein. Sie begrüßte sie
herzlich – mit Umarmen und Küsschen und all so was. Aber vorgestellt hat sie uns
die Blonde nicht.«
    »Schade. Können Sie sich noch an Einzelheiten
erinnern?«
    Der Student sah Skorubski lange prüfend
an, konnte aber in den Zügen seines Gegenübers keinen Spott feststellen.
    Wieder seufzte er tief und meinte: »Einzelheiten,
ja? Hm. Sie war etwas älter als Claudine. Klein. Neben der großen schwarzen Frau
wirkte sie geradezu winzig. Allerdings war sie ziemlich kräftig, fast dick. Man
konnte sie kaum übersehen.«
    »Ist Ihnen auch aufgefallen, dass Claudine
Angst hatte?«
    »Schon – aber ich konnte das gut verstehen.
Nach all den Berichten in den Medien über ausländerfeindliche Übergriffe. Wir Schwarzen
fallen im Straßenbild eben sofort auf, wir können nicht in der Menge untertauchen.
Und je mehr man von Überfällen hört, desto eher wittert man überall potenzielle
Schläger.«
    »Aber dass sie konkret jemanden fürchtete,
haben Sie nicht bemerkt?«
    »Nein. Sie reagierte etwas hysterisch auf
alle Gesichter, die ihr fremd waren.«
    »Egal welche Hautfarbe, Nationalität oder
Ge-schlecht?«
    Wieder dachte Kirk Damboe gründlich nach,
bevor er antwortete, und dann klang er, als überraschten ihn seine Worte selbst.
»Ja – völlig egal.«

19
     
    Haiti
     
    Der Bokor verzog missmutig das Gesicht, als der alte Mann
am Waldrand erschien. Er hatte getan, worum er gebeten und wofür er bezahlt worden
war. Was der seltsame Alte nun noch von ihm wollte, konnte er sich nicht vorstellen.
    Mürrisch trat er vor seine Holzhütte und
wartete, bis der andere seinen Hof erreicht hatte.
    »Ich bin gekommen, um dir zu sagen, dass
der Zauber funktioniert hat.«
    Der Bokor zuckte gleichgültig mit den Schultern
und setzte eine möglichst unbeteiligte Miene auf.
    »Du hast bestellt und bezahlt«, antwortete
er dann und versuchte den Eindruck zu erwecken, wenn ein Zauber nicht funktionierte,
läge das auf keinen Fall an ihm.
    »Ich brauche das Gleiche noch einmal.«
    »Gut.«
    »Aber diesmal ist es keine von uns.«
    »Dann ist es komplizierter. Es war schon
beim letzten Mal nicht einfach – ihre Schutzzauber waren ein ziemliches Hindernis.
Aber ein guter Bokor kann es schaffen.«
    »Ja – einer wie du. Deshalb wurdest auch
du für diese Aufgabe ausgewählt.«
    »Ein Foto und das Übliche. Wie du das beschaffst,
ist dein Problem. Ich werde auch spezielle Nadeln herstellen müssen, das ist schwierig
und das gesamte Zeremoniell für mich nicht ungefährlich. Und natürlich ist in diesem
Fall der Preis viel höher.«
    Sie verhandelten noch eine Weile, doch der
Bokor wusste, dass der andere nach dem erstaunlich rasch erzielten Erfolg nun bereit
wäre zu bezahlen, was immer er verlangte.

20
     
    »Papa? Kann ich heute Abend mal bei dir vorbeikommen?«
    Nachtigall, der auf dem Weg ins Büro war,
um dort Albrecht Skorubski abzuholen, bekam ein flaues Gefühl im Magen. Wenn Jule
so klang, war die

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