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Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)

Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)

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Autoren: Franziska Steinhauer
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gesprochen?«
    »Nein. Das war auch gar nicht nötig. In
meinen Augen war sie schlicht hysterisch. Paranoid.«
    »Aber nun ist sie tot. Ermordet«, gab Wiener
zu bedenken und holte die beiden Kaffeetassen am Tresen ab.
    Als er sie auf dem Tisch abstellte, sagte
Grundmann: »Ja – das ist ein Grund, meine Theorie zu überdenken. Möglicherweise
hatte sie doch Anlass zur Besorgnis.«
    »Sie haben an ihrem Verhalten bemerkt, dass
sie sich bedroht fühlte?«
    »Ja, klar. Wenn sich jemand ständig umdreht
und alle Fremden feindselig mustert, fällt einem das schon auf. Nach einiger Zeit
kannte sie die Studenten im Studiengang und wurde ruhiger – aber es musste nur mal
ein Unbekannter den Kopf durch die Tür stecken, schon tauchte sie unter und nahm
den Fremdling erst mal in Augenschein. Ja – das war Angst.«
    »War die Reaktion an bestimmte Auffälligkeiten
gebunden. Haarfarbe des Fremden, Hautfarbe, Frisur …«
    »Hä?«, fragte Norbert Grundmann begriffsstutzig.
    »Reagierte sie eher bei Schwarzen oder bei
Weißen nervös?«, präzisierte Michael Wiener geduldig seine Frage.
    »Sie reagierte bei jedem Fremden so. Und
so viele schwarze Studenten haben wir jetzt auch nicht. Bei Skins wäre die Reaktion
für mich noch nachvollziehbar, aber doch nicht bei jedem Durchschnittsstudenten.«
    Sie schwiegen und tranken ihren Kaffee.
    Michael Wiener wischte sich den Schaum von
der Oberlippe.
    »Waren Sie je mit in ihrem Zimmer?«, fragte
er dann.
    »Ja. Ein paar Mal.« Er warf Wiener einen
fragenden Blick zu, »Oh – jetzt verstehe ich. Sie meinen wegen der Abwehrzauber.
Die habe ich natürlich bemerkt.«
    Grundmann sah Wiener traurig an. »Claudine
trug auch ein Amulett – aber am Ende scheint der ganze Zinnober nicht viel genützt
zu haben.«
    »Ein Amulett?« Wiener beugte sich interessiert
vor, »Können Sie das näher beschreiben?«
    »Nicht wirklich. So ein Anhänger aus Holz,
eine Schnitzerei. An einem braunen Band.« Grundmann zuckte entschuldigend mit den
Schultern. »Erstens konnte ich ja nicht wissen, dass es mal irgendeine Bedeutung
erlangen würde, und zum Zweiten umklammerte sie es immer, wenn sie es unter dem
Pullover hervorzog. Die meiste Zeit war es ohnehin nicht zu sehen.«
    Dieses Amulett hatte die Tante des Opfers
schon erwähnt. Im Zimmer der getöteten Studentin und zwischen ihrer Bekleidung war
kein solches Schmuckstück gefunden oder sichergestellt worden, wusste Wiener – es
wurde immer wahrscheinlicher, dass der Täter es ihr vom Hals gerissen hatte. Aber,
warum? Weil es ihm gefiel? Als Trophäe? Und nun bewahrte er es an einem geheimen
Ort auf – zusammen mit den Augen und den anderen Körperteilen, schlussfolgerte Wiener
und schüttelte sich.
     
    Peter Nachtigall stöberte den jungen Mann auf, der sich
am vergangenen Tag als intimer Freund des Opfers zu erkennen gegeben hatte. Meinert
Hagen war in die Bibliothek der BTU geflüchtet, einen hypermodernen Glasbau in Form
eines Kleeblattes, der zum Wahrzeichen der Stadt geworden war. Nachtigall fragte
sich hartnäckig durch und entdeckte die schlanke Gestalt schließlich in einer vom
allgemeinen Publikumsverkehr ausgesparten Ecke. Als er ihn ansprach, zuckte der
gedankenverloren vor sich hinstarrende Student zusammen, tastete nach seiner Brille,
setzte sie umständlich auf und meinte dann: »Ach, Sie sind das. Irgendwie dachte
ich mir schon, dass wir uns noch einmal begegnen würden.«
    »Noch ist der Mörder Ihrer Freundin nicht
gefasst.«
    »Hier werden Sie ihn nicht finden. Sie suchen
an der falschen Stelle.«
    »Was macht Sie da so sicher?«
    »Claudine hatte Angst, das haben wir Ihnen
ja schon erzählt – aber nicht vor mir oder den anderen Studenten, mit denen sie
hier umging. Sehen Sie, es ist schwer zu begreifen, aber sie glaubte an seltsame
Dinge. Wie zum Beispiel Wesenheiten, die sich, in den Körpern anderer versteckt,
auf die Suche nach ihren Opfern machen. Wenn man nicht ihrem Kulturkreis entstammt,
kann man diese Ängste kaum nachvollziehen. Ich bin nicht einmal sicher, ob ich alles
richtig verstanden habe.«
    Nachtigall setzte sich.
    »Wenn sie sich bedroht fühlte, muss es dafür
einen Grund gegeben haben. Hat sie Ihnen nicht erzählt, was sie getan hat, um diese
Art Schwierigkeiten heraufzubeschwören?«
    »Nein. Sie blieb nebulös. Einmal, nach einer
Party, machte sie eine Andeutung. Sie schwebe in Lebensgefahr, behauptete sie, sprach
aber nicht weiter, als habe sie damit schon zu viel verraten.«
    Der Hauptkommissar runzelte

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