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Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)

Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)

Titel: Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franziska Steinhauer
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sich über beide Schläfen, schloss kurz die
Augen, als habe er eine heftige Kopfschmerzattacke. Dann öffnete er die Augen wieder
und sah die drei Ermittler intensiv an. Alle Leichtigkeit war von ihm abgefallen.
    »Ursprünglich fertigten untergeordnete Priester,
sogenannte Mambo, Puppen an, um Kranke zu heilen. Aber es gibt Strömungen im Voodoo,
die sie benutzten, um die Götter anzurufen, die einen Menschen töten können. Der
Puppenzauber gehört in den Bereich der schwarzen Magie. Ein Hungan, ein ernst zu
nehmender Priester, der sich mit diesen Mächten einließe, müsste die Strafe der
Loas fürchten. Mit einem solchen Anliegen wird der Kunde eher einen Bokor, einen
Zauberer, aufsuchen. Wenn die Bezahlung stimmt, sind sie nicht zimperlich. Dieser
Zauberer wird eine Puppe anfertigen, entweder aus Stoff oder einfach aus Pappe,
beklebt sie mit Haaren und abgeschnittenen Fingernagelstückchen sowie einem Foto
der zu tötenden Person. Danach führt er ein spezielles Ritual durch und verbrennt
die Puppe. Der Mensch stirbt.«
    Robin Langs Augen wanderten von einem zum
anderen, während die Stille im Raum immer dichter wurde. Dem Experten war durchaus
bewusst, wie unglaublich es seinen Zuhörern vorkommen musste, was sie von ihm über
diese fremde Religion und ihre Möglichkeiten erfuhren. Er beugte sich weit über
den Tisch.
    »Das ist es, wovor Ihr Mordopfer sich fürchtete.
Dagegen sollte der Schutzzauber wirken«, bekräftigte er noch einmal eindringlich.
    »Aber der andere Zauber war stärker. Sie
ist gestorben.« Albrecht Skorubski fuhr sich gedankenverloren über die frische Narbe
an der Hand, die er von einer Schießerei bei der Lösung einer ihrer letzten Fälle
zurückbehalten hatte.
    Robin Lang nickte.
    »Es ist durchaus nicht ungewöhnlich, dass
Anhänger sich von einem solchen Zauber bedroht fühlen. Schließlich kommt es vor,
dass man jemanden verärgert oder dessen Neid auf sich zieht. Dann weiß man nie,
zu welchen Maßnahmen der Verärgerte greift. Allerdings ist solch ein Puppenzauber
sehr teuer und damit nicht für jedermann erschwinglich. Viel wahrscheinlicher sind
andere, allgemeinere Schadenszauber.«
    Nachtigalls Miene blieb ausdruckslos. Er
starrte auf einen imaginären Punkt auf der Tischplatte.
    »Ach, das kann doch nicht funktionieren!«
Michael Wieners naturwissenschaftliche Grundausrichtung sträubte sich. »Niemand
stirbt, nur weil ein anderer Nadeln in eine Puppe bohrt!«
    »Doch«, gab Nachtigall zurück. »Aber unser
Fall liegt anders.«
    Robin Lang fragte: »Wie kommen Sie darauf?«
    »Wir suchen einen Täter aus Fleisch und
Blut. Puppenzauber bewirkt einen langsamen Tod – eine Art Auszehrung.«
    »Da muss ich entschieden widersprechen.
Alle Todesursachen sind möglich. Nur der Erfolg – der Tod – ist ausschlaggebend.
Natürlich speist sich der Kult um einige Zauberer aus der Quelle der unerwarteten
Todesfälle – nicht alle haben mit Zauberei zu tun. Doch die Société, die Gemeinschaft,
vermutet bei einem Unfall oder einem plötzlichen Tod gerne, dass ein Puppenzauber
die Ursache sein muss. So wird die Angst vor den Bokor und ihrer Macht immer größer.«
    »Und bei den Ungläubigen?«
    »Nun – in diesem Fall wird der Magier einen
horrenden Preis für das Ritual verlangen. Aber er wird es durchführen und auf seine
Macht vertrauen.«
    »Sie ist nicht nur getötet worden. Die Augen
wurden ausgestochen, Nase und Zunge amputiert. In der Stirn klaffte ein Loch«, zählte
Nachtigall auf.
    Robin Lang schluckte.
    Michael Wiener reichte ihm einen kleinen
Stapel Tatortaufnahmen. Zögernd griff der Experte danach und begann, sie langsam
durchzusehen. Nachtigall registrierte, wie sich die Pupillen des Mannes vor Entsetzen
weiteten.
    »Das zu deuten, ist nicht so schwer, und
ich bin sicher, Sie sind längst zu denselben Schlüssen gekommen. Die gewählte Symbolik
ist eher international, sie hat etwas gesehen, was nicht für ihre Augen bestimmt
war …«
    »Ihre Nase in Angelegenheiten gesteckt,
die sie nichts angingen, und wurde am Weitererzählen gehindert.« Nachtigall seufzte.
So weit waren sie auch schon ohne die Hilfe des Experten gekommen. »Aber das Loch
in der Stirn?«
    »Tja – das kann ich so einfach auch nicht
erklären. Ich werde mal in meinen Unterlagen nachsehen, ob ich eine Deutung finden
kann. Sollte das der Fall sein, melde ich mich bei Ihnen.«
     
    Als Nachtigall Robin Lang zum Ausgang begleitete, meinte
der Fachmann für Voodoo: »Sie sind den Mächten des Voodoo

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