Wortlos: Peter Nachtigalls fünfter Fall (German Edition)
Stütze. Die Vorlesung ist in einer Stunde beendet.
Ich fahre hin und spreche mit ihm.«
»Jens Schubert ermittelt weiter gegen politisch
motivierte Gruppierungen. Michael hat mir eine Nachricht geschickt – im Augenblick
befragt er wohl Jugendliche, die sich vor der Stadthalle getroffen haben.«
»Wir sollten ihm eine Zivilstreife zur Unterstützung
schicken«, entschied Nachtigall und griff zum Funkgerät.
Skorubski traf im Büro nicht nur auf Michael Wiener.
Emile Couvier stand vor der Pinnwand und
studierte die Tatortaufnahmen.
»Hallo! Habt ihr den Entführer schon geschnappt?«
»Nein, wir suchen noch. Aber Peter hat mich
darüber informiert, dass es einen zweiten Mord gegeben hat. Sieht ähnlich aus wie
der erste.«
»Ja, wir gehen auch davon aus, dass es sich
um denselben Täter handelt. Das Opfer war mit Claudine Caro befreundet.«
»Hm.« Er drehte sich wieder zu den Bildern
um. »Ich war schon am Tatort. Der Wagen stand nicht im gut einsehbaren Parkplatzbereich,
sondern ein bisschen abseits, bei den Containern. Es brennen Lampen. Sind die eigentlich
die ganze Nacht an?«
Skorubski zuckte mit den Schultern. Stimmt,
fiel ihm ein, das wollte er den Wachmann noch fragen.
»Der Täter geht mit einer bemerkenswerten
Rücksichtslosigkeit vor. Er scheint sich überhaupt keine Gedanken darüber zu machen,
dass er beobachtet werden könnte. Anschleichen, zuschlagen, verstümmeln und weg.«
»Peter glaubt, der erste Mord hatte mit
Voodoo zu tun.«
»Aber das zweite Opfer war kein Voodoo-Anhänger,
nicht wahr?«
»Nein, wohl nicht. Der junge Mann hat Peter
gegenüber behauptet, damit nichts anfangen zu können.«
»Hey, Emile!« Michael Wiener nickte beim
Betreten des Raumes dem Profiler erfreut zu.
»Habt ihr in seiner Wohnung etwas gefunden,
was auf Voodoo hindeutet?«
»Nein. Nichts. Alles durchwühlt, aber nur
Papiere und anderer privater Kram«, antwortete Wiener.
»Ich fürchte, Peter hat sich da in irgendetwas
verrannt.«
Peter Nachtigall fuhr mit Frau Hagen zum Pathologischen
Institut.
»Sollen wir nicht doch warten, bis Ihr Mann
Sie begleiten kann? Wir können ihn auch aus der Vorlesung holen lassen.«
»Aber nein. Das würde er Ihnen und mir sehr
übel nehmen. Es ist wirklich kein Problem für mich«, antwortete sie mit demonstrativer
Selbstsicherheit.
Nachtigall wusste, dass sie log.
Sie hatte Angst.
Trotz dieser zur Schau gestellten Zuversicht,
es könne sich bei diesem Mordopfer gar nicht um ihren Sohn handeln, ahnte sie, dass
es doch so sein würde. Dennoch hatte sie der Nachbarin, die gekommen war, um dem
Schwiegervater für etwa eine Stunde Gesellschaft zu leisten, erzählt, sie sei gebeten
worden, weitere Angaben zu Claudine Caro zu machen.
Nun, als sie dem Rechtsmediziner gegenüberstand,
wurde sie in ihrer Überzeugung zunehmend schwankend. Nachtigall wusste, in ihrem
Kopf kreisten seine Worte, er habe sich schon einmal mit ihrem Sohn unterhalten.
Kannte ihn demnach.
»Können wir?«, fragte Dr. Pankratz freundlich
ungeduldig.
Frau Hagen nickte wortlos.
Das Brummen der Lüftungsanlage war unangenehm
laut, bohrte sich ins Denken.
Nachtigall begleitete die Mutter in den
angrenzenden Raum. Sie hielt den Blick eisern auf den Boden gesenkt. Als sie vor
einem der Edelstahltische haltmachten, stierte sie noch immer auf die Fliesen.
Nur zögernd hob sie den Kopf.
»Ist das Ihr Sohn?«, flüsterte Nachtigall
und umfasste ihren Arm enger.
Ihre Augen irrlichterten durch den Raum,
als bereite es ihnen Schwierigkeiten, sich zu zwingen, in das Gesicht des Toten
zu blicken.
Doch im Sektionsraum gab es nichts, an dem
sie Halt finden konnten. Das Entsetzen lauerte in Schalen, und auf OP-Tabletts lagen
glänzende, erschreckende Instrumente. Am Ende fanden sie doch zu dem, was vom Gesicht
des Toten noch übrig war.
Frau Hagen nickte keuchend und schüttelte
gleich darauf vehement den Kopf.
»Nein!«, stieß sie atemlos hervor. »Nein!«
Dr. Pankratz sah Nachtigall fragend an.
»Nein?«
»Das kann nicht sein! Meinert hasste Schwimmbäder.
Er hasste Schwimmen. Meinert!« Ihre Stimme steigerte sich bis zu einem schmerzvollen
Schrei.
Langsam schob der Hauptkommissar die weinende
Frau in den Gang hinaus.
»Wieso?«, schluchzte sie. »Meinert geht
nicht schwimmen! Nie! Warum sollte man jemanden töten, der niemandem etwas getan
hat?«
»Frau Hagen, ein Streifenwagen wird Sie
nach Hause bringen. Kann ich jemanden für Sie anrufen, der Ihnen beisteht? Eine
Freundin
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