Wortstoffhof
Hundetoilettengebrauchsanweisung zu lesen ist, nämlich:
» Beutel entnehmen
Hundekot mit umgestülptem Beutel ergreifen und
zuknoten
Beutel einwerfen.«
Herr Z. schreibt mir dazu, er sei froh gewesen, »dass meine Frau und ich keinen Hund haben, weil ich zwar keine Probleme damit hätte, den ›Hundekot mit umgestülptem Beutel‹ zu ›ergreifen‹, aber wie ich den Hundekot dann anschließend ›zuknoten‹ soll (mit oder ohne umgestülptem Beutel?), ist mir bis heute unklar. Vielleicht fällt Ihnen ja eine Lösung dazu ein.«
Nein, lieber Herr Z., auch mir bleibt diese Herstellung von Hunde-KNOT ein Rätsel, doch möchte ich auf die Internetseite der Firma zooplus verweisen, auf der »zooplus Kotbeutel« angepriesen werden, welche »optimal für unterwegs« seien. Auch hier heißt es: »Durch die Schlaufe oben kann die Notdurft ihres Hundes praktisch und schnell zusammengebunden werden.« Kotknoten scheint üblich zu sein, praktisch und schnell. Nie notdürftig bitte!
Nachdem wir angemessen über diese Fingerfertigkeiten gestaunt haben, komme ich – um im Zusammenhang zu bleiben – auf einen Brief von Dagmar Schmauks von der Arbeitsstelle für Semiotik an der Technischen Universität Berlinzu sprechen. Sie hat einmal im Sprachreport einen wunderbaren Text zu einem Foto veröffentlicht, auf dem man einen großen Metalltank sieht. Auf dem Tank steht mit weißer Schrift geschrieben: »Ich bin ein 10 m 3 Fäkalientank. Mich gibt es von 3 – 60 m 3 .«
Schmauks’ Verblüffung und Staunen bezieht sich nicht so sehr auf das unverhohlene Selbstbewusstsein, mit dem sich ein »Ich«, am Straßenrand liegend, als Fäkalientank anpreist. Vielmehr beschäftigt sie sich mit dem »Mich gibt es von 3 – 60 m 3 «. Kann der Fäkalientank wachsen oder schrumpfen? Nein. Aber wer ist dann »Ich« beziehungsweise »Mich«? Ist es in Wahrheit ein »Wir« und »Uns«?
Freud habe uns gelehrt, schreibt Schmauks in ihrem Aufsatz, die Psyche als vielschichtiges Gebilde zu sehen, in dem Ich, Es und Über-Ich miteinander ringen. Aber hat ein Fäkalientank eine Psyche? Leidet dieser am Multiple-Persönlichkeits-Syndrom? An einer hochreflektierten Variante gar, bei welcher der Betroffene weiß : »Ich bin viele«? Oder, wie Schmauks fortfährt: »Ist es so deprimierend, ein Fäkalientank zu sein, dass man dieses Los nur durch Spaltung in verschiedene Ichs bewältigen kann (immerhin sind recht kleine Tanks dabei, die wohl weniger leiden)? Ein Bündel existentieller Fragen, auf das die Linguistik keine Antworten weiß!«
Und ich auch nicht, wieder mal. Man muss sich auf dem Wortstoffhof daran gewöhnen, vor Wörtern zu stehen, die wir nur für ein unbestimmtes Schicksal zwischen- oder endlagern können, weil sie rätselhaft bleiben . Wie es ja auch Frau Schmauks geschah, die in einer zweiten Glosse (diesmal aus der Deutschen Sprachwelt ) über das Angebot einer City-Diver Tauchschule zum kostenlosen »Schnuppertauchen« grübelt. Man sieht sie förmlich vor sich, wie sie hustend undkeuchend an die Wasseroberfläche kommen: Schnuppertaucher.
Und freut sich, dass wenigstens Fäkalientank-Verkäufer keine »Schnuppertage« anbieten.
L
LESEKOMPETENZ
Das war nicht schön, wie damals unsere Kinder beim Pisa-Test in der Disziplin »Lesekompetenz« auf Platz 21 lagen. Aber es wurde gleich was getan! Die Kultusminister beschlossen: drei Monate Fernsehverbot für alle; jeden Tag Zimmer aufräumen; Schließungen von Discotheken; massive Taschengeldkürzungen; Weihnachten keine Geschenke. Es musste doch endlich durchgegriffen werden.
Und wer lag bei »Lesekompetenz« auf Platz 1?
Finnland.
Finnland?
Das kann ich erklären. In Nordfinnland ist es im Winter 24 Stunden lang dunkel, da liest man viel. Und im Sommer ist es 24 Stunden lang hell, keiner kann schlafen, alle lesen. Weil der Finne so viel liest, spricht er wenig. In den Filmen von Aki Kaurismäki reden selbst Hauptpersonen oft zwanzig Minuten lang kein Wort. Wenn sie dann sprechen, sagen sie »Jaa-aa«, und während sie »Jaa-aa« sagen, werden Untertitel eingeblendet, die eine ganze Geschichte erzählen, welche sich hinter dem »Jaa-aa« verbirgt. Diese Untertitel muss man lesen. Das stärkt die Lesekompetenz.
Außerdem ist die finnische Sprache sehr kompliziert. Man muss genau lesen, um sie zu verstehen, weil die Wörter sich so ähneln: muta heißt »Schlamm«, mutta heißt »aber«, muuta heißt »Sonstiges«, und muutaa bedeutet »verändern«. Und »Ausschuss zur
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