Wortstoffhof
Durchführung von Verhandlungen über die Einstellung von bewaffneten Feindseligkeiten« heißt aseleponeuvottelutoimikunta , ungelogen.
Übrigens sind die Finnen so belesen, dass sich in ihrem Land die Hälfte aller auf der Welt befindlichen Vokale und Umlaute befindet. Sie können verschwenderisch damit umgehen und nennen Zitronenlimonade sitruunalimonaati und Ochsenschwanzsuppe häränhäntäliemi . Eiscreme? Jäätelö . Vor Jahren wollten die Tschechen den Finnen einige Tonnen Vokale abkaufen, weil sie keine hatten – aber die Finnen gaben nichts her, zu wichtig ist ihnen die Lesekompetenz. Deshalb heißt Eiscreme tschechisch immer noch zmrzlina, und das Land lag bei der Pisa-Studie auf Rang 19.
Vor Deutschland?
Jaa-aa.
LUSTMÜHLE
Eines Tages wurde (von Herrn H. aus Weil im Schönbuch) das Wort »Lustmühle« eingeliefert, was mir gut gefällt, einfach wegen der Wortkombination, die uns auffordert, das Lustvolle an der Mühle, aber auch das Mühlenhafte an der Lust zu entdecken.
Wobei H. dieses Wort in der Schweiz fand. Er war dort unterwegs und fuhr oft mit der Bahn die Strecke St. Gallen – Appenzell. Dort gibt es viele kleine, wenig frequentierte Stationen, an denen die roten Appenzeller Bahnen nur halten, wenn der Fahrgast einen Knopf gedrückt hat, über dem steht: »Halt auf Verlangen.« Und dort, in Appenzell, gibt es eben einen Bahnhof namens Lustmühle , der von einer zurückhaltend-mechanischen Ansagestimme folgendermaßen angekündigt wird: »Nächster Halt Lustmühle. Halt auf Verlangen.«
M
MAAUUS
Als im Juni 2000 die letzte Sequenz des menschlichen Genoms entschlüsselt worden war, fand man sechs Seiten der FAZ bedeckt mit dessen Datensatz: GAGGAT GTGGAG AAATAG GAACAC … Zwei Jahre später hatte man dann das Erbgut der Maus entziffert und im Internet veröffentlicht. Man hätte sich gewünscht, dass auch in diesem Fall eine Zeitung die Sensation dokumentiert hätte. Oder dass wenigstens im neuesten Micky-Maus-Heft was zu sehen gewesen wäre. Könnte nicht die Sendung mit der Maus …? Nein, schade. Wie gerne hätten wir gelesen: MAAUUS UAMMSS SAUMAU MAUMAS …
MENISCO
Kürzlich fuhren wir in das italienische Dorf, in dem Paolas Großvater lebte: Paola, Luis, meine Krücken und ich. Meine Krücken? Ja, immer noch leide ich an meinem Ermüdungsbruch im rechten Schienbein, Folge übertriebenen Joggens. Immer noch gehe ich an Krücken. Immer noch erkläre ich jedem, der mir begegnet, wie ich mir die Verletzung zuzog, wie lange die Heilung dauert, warum ich keinen Gips habe… Auch in Italien tat ich dies gegenüber den vielen Dorfeinwohnern, mit denen Paola bekannt oder verwandt ist und die daher auch mich kennen.
Und das, obwohl ich fast kein Italienisch spreche.
Ich hatte mir vor meinem ersten Gang durch die Gassen mithilfe eines Wörterbuches ein medizinisches Bulletin formuliert, aufgeschrieben und auswendig gelernt, das ich jedem vortrug, dem ich begegnete: »Ho sofferto una rottura sotto il ginocchio«, sagte ich. »Ma l’osso non è completamente rotto – ci sono invece numerose piccole fratture interne. Una ferita sportiva.« (Das heißt: »Ich habe einen Bruch unterhalb des Knies. Aber der Knochen ist nicht ganz gebrochen – es sind mehrere kleine Brüche drinnen im Knochen. Eine Sportverletzung.« Gut, was?)
Das Wort »Ermüdungsbruch« hatte ich im Wörterbuch nicht gefunden. Wörtlich hieße es vielleicht frattura di affaticamento . Aber wörtliche Übersetzungen zeitigen fast immer verheerende Ergebnisse. Neulich fand ich auf einer Autofähre den Satz Aria condizionata, chiudere la porta! übersetzt mit: »Die Klimaanlage machen die Tür zu.« Und imInternet hatte der Übersetzungsautomat eine amerikanische Seite mit der Überschrift How to cook italian in den deutschen Satz »Wie man Italiener kocht« übertragen.
Immer wenn ich mein Communiqué abgespult hatte, lächelten die Italiener und sagten: »Ah, menisco!«
»No … no menisco!«, begann ich zu stottern, nun auf mein Spontan-Italienisch angewiesen, zeigte aufs Schienbein und sagte: »Quest’osso e rotto, dentro …« (Dieser Knochen ist gebrochen, drinnen…) Ergebnis war, dass man mir freundlich-nachsichtig auf die Schulter klopfte und seiner Wege ging. Ich gelte wohl als deutscher Dorftrottel, über dessen italienische Stotter-Auftritte man sich noch Monate schenkelschlagend amüsiert. Beim nächsten Spaziergang integrierte ich deshalb nach neuem Wörterbuchstudium das Wort »Schienbein« (lo stinco) in
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