Wortstoffhof
in einschlägigen Kreisen mittlerweile berühmten Blumento-Pferde oder der zum Baden ladende Alpeno-Strand.
Frau H. aus Celle fand in einem Artikel über das Kaufverhalten Jugendlicher den Begriff »Kleiderkaufalter« so getrennt: Kleiderkau-Falter. Womit ein neues Wort für »Motte« gefunden wäre, auch wenn der Verfasser was anderes meinte.
Dann gibt es ja diese Schalter, die in Lampenkabel eingebaut sind und mit deren Bedienung, ganz nach Bedarf, der Stromlauf geschlossen oder unterbrochen wird. Man nennt sie »Schnurzwischenschalter«. Leserin T. aber las dieses Wort so: »Schnurz-Wischen-Schalter« . Sie schrieb mir und fragte, was das sei, ein »Schnurz-Wischen-Schalter«?
Und ich grübelte: Waren es die Herren Schnurz und Wischen, die den Schalter gemeinsam erfanden? Geht es um die wischende Handbewegung beim Betätigen des Schalters und das dieser Handbewegung folgende schnurzende Geräusch? Es hat eine Viertelstunde gedauert, bis ich verstand: »Schnur-Zwischen-Schalter«.
Immer wieder bekomme ich Briefe zu dem Wort »Rohrohrzucker«, das man oft auf Lebensmittelpackungen findet. Rohr-Ohr-Zucker. »Ist das etwa der Zucker, den man sich per Rohr ins Ohr blasen lässt?«, fragt Herr E. aus Braunschweig. Oder Zucker, der, im Gegenteil, »aus dem Ohrdurch ein Rohr rieselt«? (Wie Herr S.-H. zu bedenken gibt, der über den Begriff während einer Zugfahrt von Berlin nach Oldenburg stolperte.) »Wächst das aus den Ohren, wenn man Müsli isst?«, fragt schließlich Frau M. in einer Mail.
Oder ist es Roh-Rohr-Zucker?
Gott, wie langweilig, das kann nicht sein.
Wenn wir gerade bei Lebensmitteln sind: Dr. P. aus München war als Lebensmittelchemiker tätig und entdeckte dabei ein Wort, das sich tief im Getreidegesetz versteckte, wie sich unbekannte Tierarten im Dschungel verbergen. Das Wort heißt »Gengemenge« und befand sich, bis Dr. P. es mithilfe komplizierter chemischer Verfahren von seinem Umfeld trennte, mitten in »Roggengemengemehl«.
Und Leser G. schrieb, der Kinderarzt seines Sohnes nehme an einer Studie zur Erprobung eines neuen Impfstoffes teil und verschicke deshalb an seine Patienten Rundschreiben, in denen das Wort »Routine-Impf-Plan« vorkomme, über welches nun wieder G. stolperte und welches sich unter seiner längeren Betrachtung langsam veränderte, sodass aus »Routine-Impf-Plan« nämlich plötzlich »RoutinEimpfplan« wurde. Er schrieb mir: »Jedenfalls dachte ich beim Lesen dieses Wortes sofort an Sie. Vielleicht haben Sie für dieses Wort ja irgendwann eine Verwendung.«
Hier haben wir den Gedanken des Wortstoffhofes in nuce . So soll es sein: Wörter, die man selbst nicht benötigt, weitergeben an andere! Ich finde allein schon den Wort-Teil »Routinei« sehr schön, klingt er doch nach einem fernen und doch sehr nahen Land (ähnlich der Transkei oder der Wallachei), in dem wir alle zu viel Zeit verbringen. Das Land der langweiligen Routine, des immer Wiederholten. Das Land, in dem wir, über Mpfplänen gebeugt, angeödet unsere Arbeit verrichten.
N
NAUM
Als die kleine Sophie sprechen lernte – das war ein hochinteressanter Vorgang. Das Sprechenlernen begann nämlich so, dass sie einzelne Wörter formte, die nichts bedeuteten. Jedenfalls nichts für uns Erkennbares.
Hängü. Ababkih. Abábetschih. Krodgra. Guhdgäh. Nuna. So hat es bei uns allen angefangen. Und man fragt sich, wo all die Wörter geblieben sind, die wir mit anderthalb so vor uns hin sprachen. Wie kann es sein, dass so viele Wörter Tag für Tag geboren werden, um dann sang- und klanglos wieder zu verschwinden? Müsste man nicht auch diese nichts bedeutenden Begriffe aufbewahren? Vielleicht kann man sie eines Tages brauchen? Ist denn ein Wort nichts wert, bloß weil es nichts bezeichnet? Was ist das für ein blödes, kapitalistisches Nutzdenken? Ich fordere Archive und Dictionarys auch für Wörter, die nichts heißen! Es wäre eine einzigartige Fundstätte. Denn jeden Tag gibt es auch neue Gegenstände, die keinen Namen haben – hier könnte man nach Bezeichnungen suchen und müsste sich nicht erst welche ausdenken.
Nuna , das wäre zum Beispiel ein schönes Wort für einen Kleinwagen. Der neue Ford Nuna ist da.
Und wenn man eines Tages eine hirngesteuerte dritte Hand erfinden würde, die man sich nur anschnallen muss und schon funktioniert sie – auf Bulgarisch könnte man sie Krodgra nennen und auf Türkisch Hängü . (Übrigens sollte man sie bald erfinden, ich brauche sie dringend, weil man Sophies
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