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Wortstoffhof

Wortstoffhof

Titel: Wortstoffhof Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Axel Hacke
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Rühr-mich-nicht-an-Pflanze. Die kleinste Störung, der Hauch einer Berührung führt dazu, dass die Schoten platzen und die Samen herausschleudern. Im übertragenen Sinne kann man sich den Urknall durchaus wie ein solches Aufplatzen vorstellen.«
    Großartig, dachte ich und stellte mir das Nichts als etwasäußerst Cholerisches vor, das eine Ewigkeit lang vor sich hin brummelt, um plötzlich in gigantischem Zorn zu explodieren. Der Urknall – ein Wutanfall Gottes?
    Nennt nicht Paola mich oft einen Choleriker? Bin ich also ein Nichts? Bin ich nicht?
    Übrigens nennen ja manche Leute auch die Mimose Rühr-mich-nicht-an-Pflanze, wobei deren Fiederblättchen bei Berührung nicht explodieren, sondern sich im Gegenteil zusammenrollen, sodass das Nichts quasi zum Garnichts würde. Was hingegen bei Berührung, ja, dem leisesten Anklicken sofort in die Luft geht, sind die Schoten des Springkrauts, der wirklichen Rühr-mich-nicht-an-Pflanze, die es bei uns als Echtes, gelb blühendes und einheimisches Springkraut gibt, aber auch als Drüsiges Springkraut, aus Asien zugewandert und ausgewildert, seit Jahren, rosa blühend, alle deutschen Ufer und Waldränder zuwuchernd, ein drüsig-bedrohliches Nichts, dessen Samen übrigens leicht nussig schmecken sollen und die ich mir irgendwie kommaförmig vorstelle.
    Worum ging es noch mal in diesem Text? Ach, nichts. Hat sich erledigt.
NO-NONSENSE
    Im Tchibo-Warenkatalog vom Juni 2007 stellte »Deutschlands angesagtester Designer«, Herr Michael Michalsky, seine extra nur für Tchibo entworfene Kollektion vor, welche, um es in den Worten von Michalsky zu sagen, nicht »schräge Sachen für ein paar Weirdos« enthielt, sondern eher »No-Nonsense-Mode«, also Kleidungsstücke wie (aus dem Katalog zitiert) »Surf Shorts, Beach Slippers, Hooded Sweaters, Track Tops, Jogging Minis, Tank Tops, Track Pants, Woven Belts …«
    Herr L. aus Hamburg, der mir den Katalog schickte, schrieb, er habe Jahrzehnte bei der deutschen Tochter eines amerikanischen Unternehmens gearbeitet, wundere sich über gar nichts, »aber der massive Einsatz, das Einsprenkeln englischer Wörter in diesem Katalog hat mich doch überrascht«. Ist es nicht überhaupt eher ein »Einsprenkeln« deutscher Wörter in einen englischen Zusammenhang? Als jedenfalls Michalsky im Interview mit dem Satz zitiert wird, zwar seien »die 80er« seine geistige Heimat, »nur laufe ich heute nicht mehr als Boy-George-Lookalike durch Bad Oldesloe«, da überlege ich tatsächlich, was Oldesloe auf Deutsch heißt und warum es so schlecht ist – Bad klingt hier, als verhalte es sich zu Oldesloe so ähnlich wie Old zu Shatterhand .
    Dann fällt mir ein, dass vor Jahren Menschen gefragt wurden, was der damalige SAT 1-Slogan Powered by emotion wohl bedeute. Sehr viele mutmaßten, es heiße »Kraft durch Freude«. Und dass Frau F. aus Berlin mir in einem Briefvon der schönen Übersetzung des alten Marvin-Gaye-Hits I heard it through the grapevine berichtete: Ich hörte es durch das Grab weinen.
    Das Englische ist aber auch eine schwer zu verstehende Sprache, wie eigentlich alle Fremdsprachen. Und um in diesem Zusammenhang noch mal auf Michalsky zurückzukommen: Er wird aufpassen müssen, dass in den vielen Tchibo-Filialen im Lande nicht das geschieht, was Frau Sch. mir in einer, nun ja, Mail über ihre Erlebnisse in der Wäscheabteilung eines großen Kaufhauses berichtete. Sie habe dort eine Verkäuferin gefragt, wo sie hier einen Neckholder-BH bekommen könne. (Den wollte sie unter einem Neckholder-Top tragen, früher hieß das »rückenfreies Oberteil«). Die Verkäuferin habe ihrer zehn Meter entfernten Kollegin zugerufen: »Du, Inge, wo haben wir unsere Snackholder-BHs ?«

O
OBERBEGRIFF, ÜBERBACKEN
    Einige sehr schöne Wörter bekam ich von Herrn B. aus Konstanz. Er entdeckte sie in einem Restaurant in Mittelbergheim/Elsass, wo es zum Beispiel das Gericht »Vom Fuss Schwein, Vinaigrette im Rechtsanwalt« (Croustillant de pied de porc, Salade mesclun à l’huile avocat) gibt, und in einem Lokal in Barr/Bas-Rhin, wo man einen Gratin de fruits de mer verspeisen kann, das ist laut Speisekarte in unserer geliebten Landessprache, bitte sehr: »Überbackener Oberbegriff für Schalen- und Krustentiere«.
    So etwas liebt der Sprach-Gourmet. Überbackene Oberbegriffe! Geröstete Substantive! Ein Soufflé von Verben! Pochierte Präpositionen!
ÖKTÖBÄRFÄST
    Herr H. aus Huglfing ging seine Büropost durch und fand auf der Rückseite einer

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