Wovon eine Prinzessin träumt (German Edition)
ihm jedoch auf, dass zwischen ihm und Louisa der gleiche Altersunterschied bestand. Aber das war etwas anderes. Louisa war schließlich erwachsen – auch wenn ihre Familie sie nicht so behandelte. Außerdem hatte Garrett vor, sie zu heiraten. Sein Bruder hingegen war nur seinem Vergnügen nachgegangen.
„Du brauchst gar nicht so missbilligend zu gucken“, sagte Ian abwehrend. „Es war nicht meine Schuld. Sie hat mich verführt.“
Natürlich. Ian war nie schuld. Er fand immer jemanden, den er für seine Handlungen verantwortlich machen konnte. „Hast du denn gar nicht daran gedacht, sie zurückzuweisen?“
„Wenn du sie gesehen hättest, hättest du sicher auch nicht Nein gesagt.“
Im Gegensatz zu seinem Bruder war Garrett kein Sklave seiner Hormone, sondern hatte Prinzipien. Er nutzte Frauen nicht zu seinem Vorteil aus – zumindest nicht in sexueller Hinsicht. Außerdem nutzte er Louisa ja gar nicht aus. Wenn sie ihn heiratete, sollte es ihr an nichts fehlen. Mit Ausnahme von ein paar zusätzlichen Kindern vielleicht. „Und was willst du jetzt machen?“, fragte er Ian.
„Wie gesagt, ich habe da etwas Fantastisches geplant. Eine todsichere Sache. Ich brauche nur ein bisschen Kapital, um Fuß zu fassen.“
Er sagte zwar nichts weiter, aber Garrett wusste genau, was er dachte. Deshalb kam er ihm zuvor. „Sieh mich nicht so an. Ich habe schon genug Geld mit deinen sogenannten todsicheren Sachen verloren.“
„Dann machst du eben keinen Gewinn“, erwiderte Ian schulterzuckend.
Garrett bezweifelte, dass ihm ein gutes Geschäft entging.
Seufzend stellte Ian die Schüssel auf den Tisch. „Köstlich. So was Leckeres hatte ich schon seit Wochen nicht mehr“, sagte er und leckte die Gabel ab.
„Ich schätze, du brauchst einen Platz zum Schlafen.“
Ian lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Küchentresen. „Im Park gibt es eine sehr gemütliche Bank.“
„Du kannst im Gästeschlafzimmer schlafen. Für eine Nacht“, fügte Garrett hinzu. „Und ich erwarte, dass noch alles an seinem Platz ist, wenn du wieder gehst.“
„Ich mache sogar das Bett.“
„Okay, ich gehe dann mal schlafen“, erklärte Garrett.
„Jetzt schon? Ich hatte gedacht, wir könnten uns noch ein bisschen unterhalten.“
„Ich habe morgen sehr früh ein Meeting.“
„Du arbeitest samstags?“, fragte Ian, offensichtlich entsetzt.
„Manchmal auch an Sonntagen.“ Das würde Ian wohl kaum verstehen, da er es vorzog, so wenig wie nur irgend möglich zu arbeiten. „Wenn du Hunger hast, bedien dich! Im Kühlschrank ist noch genug. Und wenn du fernsehen willst, ich habe Satelliten-TV. Wir sehen uns dann morgen früh.“
„Wir sehen uns dann morgen früh“, echote Ian, während Garrett die Küche verließ.
Garrett war nicht ganz wohl bei dem Gedanken, seinen Bruder unbeaufsichtigt zu lassen. Aber wenn er auch irgendwann schlafen wollte, blieb ihm sowieso keine andere Wahl.
Am nächsten Morgen sah er Ian nicht. Als Garrett um sechs Uhr aufstand, war sein Bruder bereits verschwunden. Und mit ihm die Hälfte der Minibar und Garretts Wagen.
Die E-Mail landete am späten Samstagnachmittag in Louisas persönlichem Postfach. Zuerst dachte sie, es wäre eine Junkmail, weil die Betreffzeile leer war. Doch dann entdeckte sie den Absender: L. K. Mann. Louisa war vor Schreck wie erstarrt.
Doch nicht jetzt, flehte sie inständig. Nicht wenn alles so prima läuft! Sie atmete tief ein und machte sich auf das Schlimmste gefasst, bevor sie zögernd die Nachricht las: „Hast du mich vermisst, Prinzessin?“
Dieses Mal keine grauenhaften Reime oder Androhungen von Gewalt – und trotzdem schauderte Louisa. Jetzt wurden wieder alle in Panik versetzt, und die Sicherheitsvorkehrungen mussten noch einmal verschärft werden. Das wiederum bedeutete, dass ihre Chancen, das Schloss für ein normales Date mit Garrett zu verlassen, gegen null liefen. Warum musste der Lebkuchenmann ausgerechnet jetzt wieder auf der Bildfläche erscheinen und sie schikanieren?
Sie griff nach dem Telefon, um den Sicherheitsdienst zu informieren. Dabei fiel ihr Blick zufällig auf die Zeitangabe neben dem Datum der E-Mail. Der Lebkuchenmann musste sie schon tags zuvor verschickt haben. Im Gegensatz zu ihren Brüdern überprüfte Louisa ihr Mailfach nicht täglich. Und wenn die anderen auch eine E-Mail von dem Verrückten bekommen hätten, hätte Louisa es dann nicht längst erfahren?
War es möglich, dass der Lebkuchenmann nur ihr geschrieben hatte?
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