WoW 01 - Aufstieg der Horde
ein Gesang, in den jeder der tausend Orcs, die sich hier aufhielten, einstimmte: Großeltern, Krieger auf dem Höhepunkt ihrer Kraft, selbst Kinder, die auf dem starken Arm ihrer Mutter lagen. Die Wölfe, die sowohl Gefährten als auch Reittiere waren, beteiligten sich mit freudigem Geheul daran. Der Klang war durch Durotans Adern pulsiert, wie es das Trommeln an diesem Abend tat. Ein tiefer ursprünglicher Ruf des Grußes an das weiße Rund, das den Nachthimmel beherrschte. Durotan hatte sich umgeschaut und ein Meer machtvoller Wesen entdeckt, die ihre braunen Hände dem silbrigen Lichtglanz der Bleichen Dame entgegenstreckten. Wenn ein Oger dumm genug gewesen wäre anzugreifen, er wäre in wenigen Herzschlägen unter den Waffen der im Geiste vereinten Krieger gefallen.
Dann hatte das Fest begonnen. Dutzende Tiere waren vorher geschlachtet worden, bevor der Winter gekommen war. Man hatte sie getrocknet und in Vorbereitung auf das Fest geräuchert. Freudenfeuer wurden entfacht, deren warmes Licht sich mit dem entrückten weißen Glühen der Dame mischte. Dann hatte das Trommeln begonnen und seitdem nicht mehr aufgehört.
Auch Durotan durfte aufbleiben, bis alle gegessen hatten, wie alle anderen
Kinder
auch. Auf seinem Fell liegend schnaubte er herablassend über diesen Begriff. Dann waren die Schamanen losgezogen. Sobald die Eröffnungsfeier vorbei war, begab sich der Schamane jedes Clans auf den Oshu'gun, der über das Fest wachte. Dort betrat er die Höhlen, geleitet von den Geistern und den Ahnen.
Der Oshu'gun war selbst aus der Entfernung beeindruckend. Anders als andere Berge, die unregelmäßig und rau in ihrer Gestalt waren, erhob sich der Oshu'gun glatt und wohlgeformt wie eine Speerspitze. Er sah aus wie ein riesiger Kristall, der in die Erde gerammt worden war, so klar waren seine Linien und so hell glitzerte er im Sonnen- und Mondlicht. Einige Legenden erzählten, dass er vor hunderten von Jahren vom Himmel gefallen wäre. So etwas war so ungewöhnlich, überlegte Durotan, dass die Geschichten vielleicht stimmen konnten.
Obwohl der Oshu'gun sicherlich interessant war, hatte Durotan es immer für ein wenig ungerecht gehalten, dass die Schamanen dort die ganze Zeit des Kosh'harg-Festes verbringen mussten. So verpassten sie doch den ganzen Spaß. Aber das, so dachte er wiederum, galt ebenfalls für die Kinder.
Am Tag fanden die Jagden und Spiele statt, und es wurden Geschichten von den Heldentaten der Ahnen erzählt. Jeder Clan hatte eigene Sagen, und so bekam Durotan neben den Geschichten, die er bereits kannte, neue und aufregende Abenteuer zu hören.
So unterhaltsam das auch war und so sehr Durotan es auch mochte, er brannte doch darauf zu wissen, was die Erwachsenen beredeten, wenn die Kinder in ihrem Zelt schlummerten. Wenn sie ihre Körper streckten, voll gutem Essen und nachdem sie eine Pfeife geraucht und mehrere Bier getrunken hatten.
Er konnte es nicht länger aushalten. Leise stand Durotan auf, seine Ohren achteten auf jeden Laut, der anzeigte, ob noch jemand wach war. Er hörte nichts, und nach einer langen Minute bewegte er sich vorsichtig in Richtung Ausgang.
Es war ein langer Weg, und er kam in dem dunklen Zelt nur langsam voran. Schlafende Kinder aller Altersgruppen und Größen waren im ganzen Zelt verteilt. Sein Herz raste. Durotan stieg achtsam zwischen die kaum sichtbaren Körper und bewegte seine großen Füße mit der Eleganz des langbeinigen Sumpfvogels.
Es schien eine Ewigkeit zu dauern, bis Durotan schließlich den Ausgang erreichte. Er blieb stehen, versuchte seinen Atem zu beruhigen, streckte seine Arme aus und...
Er berührte einen großen, weichen Körper, der direkt neben ihm stand. Er riss seine Hand mit einem überraschten Zischen zurück.
»Was machst du hier?«, flüstere Durotan.
»Was machst
du
hier?«, fragte der andere Orc zurück.
Auf einmal musste Durotan grinsen, weil sie sich so dumm benahmen.
»Dasselbe wie du auch«, antwortete er, seine Stimme immer noch dämpfend. Die anderen waren offenbar noch nicht aufgewacht. »Wir können hier bleiben und weiter darüber reden oder es einfach tun.«
Durotan konnte anhand des Körpers, der vor ihm stand, erkennen, dass der Orc groß und männlich war, vielleicht in seinem Alter. Weder Geruch noch Stimme ließen sich einordnen, also war es niemand vom Frostwolf-Clan. Es war ein gewagter Gedanke. Nicht nur, dass er etwas so Verbotenes tat, wie das Schlafzelt ohne Erlaubnis zu verlassen, sondern das auch noch in
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