Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Wozu wollen Sie das wissen?

Wozu wollen Sie das wissen?

Titel: Wozu wollen Sie das wissen? Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alice Munro
Vom Netzwerk:
Ich dachte, es könnte interessant sein, wenn ich sie dazu brächte, über den Krieg zu reden, aber sie wollte nichts weiter sagen, als dass alle großen Hunger gelitten und aus Kartoffelschalen Suppe gekocht hatten.
    »Sinnlos«, sagte sie. »Sinnlos, drüber zu reden.«
    Sie bevorzugte die Zukunft. Sie und Henry sparten, um sich selbständig zu machen. Sie wollten ein Pflegeheim eröffnen. »Viele Menschen wie sie«, sagte Corrie und warf beim Arbeiten den Kopf zurück, um auf Mrs Foley draußen auf dem Rasen zu deuten. »Bald immer mehr. Weil sie Medizin bekommen, damit sie nicht so bald sterben. Wer wird sie pflegen?«
    Eines Tages rief mich Mrs Foley, als ich den Rasen überquerte.
    »Na, na, wohin denn so eilig?«, sagte sie. »Komm und setz dich zu mir und ruh dich ein bisschen aus.«
    Ihre weißen Haare steckten unter einem schlaffen Strohhut, und wenn sie sich vorbeugte, drang die Sonne durch die Löcher im Stroh und besprenkelte die rosafarbenen und hellbraunen Placken ihres Gesichts mit Lichtpickeln. Ihre Augen waren von so erloschener Farbe, dass ich sie nicht erkennen konnte, und ihr Körper war von seltsamer Gestalt – eine schmale, flache Brust und ein aufgedunsener Bauch unter Schichten von weiter, heller Kleidung. Die Haut der Beine, die sie ins Sonnenlicht streckte, war glänzend und bleich und mit feinen Rissen bedeckt.
    »Entschuldige, dass ich keine Strümpfe angezogen habe«, sagte sie. »Mir ist heute nach Faulenzen zumute. Aber was bist du für ein außergewöhnliches Mädchen. Den ganzen Weg hierher alleine zurückzulegen. Hat Henry dir geholfen, die Lebensmittel vom Steg hochzutragen?«
    Mrs Mountjoy winkte uns zu. Sie war auf dem Weg zum Tennisplatz, um Mary Anne eine Trainingsstunde zu geben. Jeden Vormittag gab sie Mary Anne eine Trainingsstunde, und beim Mittagessen besprachen sie, was Mary Anne alles falsch gemacht hatte.
    »Da ist die Frau, die Tennis spielen kommt«, sagte Mrs Foley über ihre Tochter. »Sie kommt jeden Tag, also nehme ich an, es hat damit seine Richtigkeit. Und warum soll sie den Platz auch nicht benutzen, wenn sie keinen eigenen hat.«
    Mrs Mountjoy fragte mich später: »Hat Mrs Foley dich gebeten, zu ihr zu kommen und dich ins Gras zu setzen?«
    Ich sagte ja. »Sie hielt mich für ein Mädchen, das die Lebensmittel gebracht hat.«
    »Ich glaube, es gab mal so ein Mädchen mit eigenem Boot. Aber die Lebensmittel werden schon seit Jahren nicht mehr geliefert. Mrs Foley ist manchmal etwas durcheinander.«
    »Sie hat gesagt, Sie sind irgendeine Frau, die Tennis spielen kommt.«
    »Ach, ja?«, sagte Mrs Mountjoy.
     
    Die Arbeit, die ich hier zu tun hatte, fiel mir nicht schwer. Backen, bügeln und einen Herd reinigen, das konnte ich. Niemand schleppte Stallmist in diese Küche, und es gab keine schwere Arbeitskleidung, die durch die Wringmaschine gequetscht werden musste. Es galt nur, alles ordentlich an seinen Platz zu tun und ziemlich viel zu wienern. Die Aufsätze der Gasbrenner auf dem Herd nach jeder Benutzung wienern, die Wasserhähne wienern, die Glastür zur Dachterrasse wienern, bis das Glas verschwand und man Gefahr lief, mit dem Gesicht dagegenzuknallen.
    Das Haus der Mountjoys war modern, mit einem Flachdach, einer Dachterrasse, die über das Wasser vorkragte, und sehr vielen Fenstern, die Mrs Mountjoy gerne so unsichtbar gehabt hätte wie die Glastür.
    »Aber ich muss realistisch sein«, sagte sie. »Ich weiß, wenn du dich darum kümmerst, bleibt dir kaum noch Zeit für irgendetwas anderes.« Sie war keineswegs eine Sklaventreiberin. Ihr Ton mir gegenüber war fest und leicht gereizt, aber in diesem Ton redete sie mit allen. Sie hielt ständig Ausschau nach Unaufmerksamkeit und Unzulänglichkeit, die ihr verhasst waren.
Schluderig
war eines ihrer Lieblingswörter, wenn sie etwas verdammte. Andere waren
larifari
und
überflüssig
. Viele Dinge, die Menschen taten, waren überflüssig, und einige davon waren auch larifari. Andere hätten die Wörter
kunstbeflissen
oder
intellektuell
oder
freizügig
benutzt. All diese Unterschiede wischte Mrs Mountjoy beiseite.
    Ich nahm meine Mahlzeiten allein ein, zwischendurch, während ich jene bediente, die auf der Dachterrasse oder im Esszimmer speisten. Beinahe wäre mir dabei ein schrecklicher Fehler unterlaufen. Als ich auf meinem Weg hinaus auf die Dachterrasse mit drei Tellern – angeberhaft im Stil einer Kellnerin gehalten – für den ersten Gang des Mittagessens Mrs Mountjoy begegnete, sagte sie: »Drei

Weitere Kostenlose Bücher