Wozu wollen Sie das wissen?
Leukämie litt, erst kurz bevor sie daran starb. Es war der erste Fall von Leukämie, von dem die Menschen in jenem Teil des Landes hörten.
Leo blieb da, bekam Arbeit. Er begann, öfter seine Verwandten zu besuchen. Er besorgte sich ein Auto und fuhr zu ihnen hinaus. Man erzählte sich, dass er vorhatte, zum dritten Mal zu heiraten, und zwar eine Witwe aus der Gegend von Stratford.
Aber davor erschien er an einem Wochentag nachmittags im Haus meiner Großmutter. Es war die Zeit des Jahres – nach dem ersten Frost, doch vor den schweren Schneefällen –, zu der mein Großvater und mein Vater, der mit der Schule fertig war, Feuerholz aus dem Busch holten. Sie müssen das Auto gesehen haben, aber sie fuhren mit ihrer Arbeit fort. Mein Großvater kam nicht mal zum Haus, um seinen Vetter zu begrüßen.
Leo und meine Großmutter blieben ohnehin nicht im Haus, obwohl sie es ganz für sich gehabt hätten. Meine Großmutter fand es richtig, den Mantel anzuziehen, und die beiden stiegen ins Auto. Aber sie blieben nicht einfach darin sitzen, sondern fuhren den Weg und dann die Straße hinunter zum Highway, wo sie umdrehten und zurückfuhren. Das taten sie mehrere Male, unter den Augen aller Leute, die entlang der Straße aus den Fenstern ihrer Farmhäuser schauten. Und alle an der Straße kannten inzwischen Leos Auto.
Während dieser Fahrt bat Leo meine Großmutter, mit ihm fortzugehen. Er sagte ihr, er sei immer noch frei, bei der Witwe noch nicht fest im Wort. Und wahrscheinlich vergaß er nicht, ihr zu sagen, dass er sie immer noch liebe. Meine Großmutter. Selina.
Meine Großmutter erinnerte ihn daran, dass sie selbst nicht frei sei, ganz egal, wie es sich bei ihm verhielte, und ihre Gefühle deshalb nichts damit zu tun hätten.
»Und je schärfer sie sprach«, sagte Tante Charlie und nickte dabei kurz mit dem Kopf, »ja, je schärfer sie mit ihm sprach, desto tiefer zerriss es ihr das Herz. So war das.«
Leo fuhr sie nach Hause. Er heiratete die Witwe. Die, zu der ich Tante Mabel hatte sagen sollen.
»Wenn Selina wüsste, dass ich dir irgendwas davon erzählt habe, dann wäre ich erledigt«, sagte Tante Charlie.
Mir standen drei Ehen zur Verfügung, die ich in jenem frühen Abschnitt meines Lebens aus nächster Nähe studieren konnte. Die Ehe meiner Eltern – in mancher Hinsicht die allernächste, doch in anderer Hinsicht die geheimnisvollste und fernste, denn ich konnte mir als Kind kaum vorstellen, dass meine Eltern noch eine andere Verbindung miteinander hatten als die, die sie durch mich hatten. Meine Eltern redeten sich wie die meisten anderen Eltern, die ich kannte, mit Mutter und Daddy an. Sie taten das sogar in Gesprächen, die nichts mit ihren Kindern zu tun hatten. Sie schienen ihre Vornamen vergessen zu haben. Und da es nie auch nur den Gedanken an Trennung oder Scheidung gab – ich kannte keine Eltern oder Ehepaare, die getrennt lebten oder geschieden waren –, musste ich nie ihre Gefühle füreinander ermessen oder ängstlich auf das Wetter zwischen ihnen achten, wie es Kinder heute oft tun. In meinen Augen waren sie hauptsächlich Betreuer – des Hauses, der Farm, der Tiere und von uns Kindern.
Als meine Mutter krank wurde – chronisch krank, nicht nur von wechselnden Symptomen geplagt –, änderte sich das Gleichgewicht. Das geschah, als ich zwölf oder dreizehn war. Von da an drückte meine Mutter die Familie auf der einen Seite nieder, und wir – mein Vater, mein Bruder, meine Schwester und ich – hielten sie auf der anderen zu einer Art Normalität hoch. Daher schien mein Vater mehr zu uns zu gehören als zu ihr. Sie war ohnehin drei Jahre älter als er – im neunzehnten Jahrhundert geboren, während er im zwanzigsten geboren war, und so schien sie im Laufe ihres langen Siechtums eher seine Mutter zu sein als seine Frau und für uns eher eine ältere Verwandte in unserer Obhut als eine Mutter.
Ich wusste, dass dieser Altersunterschied zu den Dingen gehörte, die meine Großmutter von Anfang an gegen meine Mutter eingewendet hatte. Andere kamen bald genug zum Vorschein – der Umstand, dass meine Mutter Autofahren lernte, dass ihre Art, sich zu kleiden, ans Originelle grenzte, dass sie dem weltlichen Women’s Institute beitrat und nicht der United Church Missionary Society, dass sie schließlich – und das war das Allerschlimmste – über Land fuhr und die Stolas und Capes aus den Fuchsfellen meines Vaters feilhielt und sich ins Antiquitätengeschäft verirrte,
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