Wozu wollen Sie das wissen?
stemmt sie die Hände in die Hüften, streckt den Kopf vor und sagt harte Worte, als wolle sie einen Streit vom Zaun brechen. Sie führt dieses Verhalten auf irische Abstammung und die Geburt in einem Zug zurück.
»Ich bin Irin, wisst ihr. Eine streitlustige Irin. Und ich bin in einem fahrenden Zug geboren worden. Konnte nicht warten. In einem Zug der Eisenbahngesellschaft ›Die ausschlagenden Pferde‹, wie findet ihr das? Und wenn man auf einem ausschlagenden Pferd geboren worden ist, weiß man sich zur Wehr zu setzen, das kann ich euch sagen.« Dann, ob nun ihre Zuhörer humorig darauf eingehen oder verschreckt verstummen, lacht sie herausfordernd auf.
Sie sagt zu Harry: »Haust Joe immer noch mit dieser Peggy zusammen?«
Ich weiß nicht, wer Peggy ist, also frage ich.
»Weißt du nicht mehr Peggy?«, sagt Harry vorwurfsvoll. Und zu Irlma: »Na sicher.«
Harry hat früher bei uns gearbeitet, als mein Vater die Füchse züchtete und ich ein kleines Mädchen war. Er gab mir Lakritzschnecken, aus den fusseligen Tiefen seiner Hosentaschen, er versuchte mir das Traktorfahren beizubringen und kitzelte mich bis an die Gummibänder meiner Pumphosen.
»Peggy Goring?«, sagt er. »Die mit ihren Brüdern oben an den Gleisen auf der Seite von der Konservenfabrik gewohnt hat? Halb indianischer Abstammung. Hugh und Bud Goring. Hugh, der hat doch in der Molkerei gearbeitet?«
»Bud war Hausmeister im Rathaus«, flicht mein Vater ein.
»Weißt du jetzt wieder?«, fragt Irlma ein wenig scharf. Hiesige Namen und Ereignisse vergessen zu haben kann als Absicht und schlechtes Benehmen gedeutet werden.
Ich bejahe es, obwohl ich mich nicht erinnern kann.
»Hugh ist abgehauen und nie zurückgekommen«, sagt sie. »Also hat Bud das Haus dicht gemacht. Bewohnt nur ein Hinterzimmer davon. Er kriegt ja jetzt Rente, aber er ist trotzdem zu geizig, um das ganze Haus zu heizen.«
»Ist ein bisschen wunderlich geworden«, sagt mein Vater. »Wie wir alle.«
»Na, und Peggy?«, sagt Harry, der schon immer über jede Geschichte, jedes Gerücht, jede Schande und jede mögliche Vaterschaft im Umkreis von vielen Meilen Bescheid gewusst hat. »Peggy ging früher mal mit Joe, ja? Vor Jahren. Aber dann ist sie weg und hat einen andren geheiratet und oben im Norden gewohnt. Nach einer Weile ist er dann auch hochgezogen und hat mit ihr zusammengelebt, aber dann haben sie sich fürchterlich in die Haare gekriegt, und er ist in den Westen abgehauen.« Er lacht, wie er es immer getan hat, stumm, voller privatem Spott, der nicht aus ihm herauszukönnen scheint, sodass ihm Brust und Schultern davon schüttern.
»Jawohl, so war’s«, sagt Irlma. »So haben sie’s getrieben.«
»Na, und dann ist Peggy in den Westen hinterher«, fährt Harry fort, »und so haben sie dann da draußen zusammengelebt, und wie’s scheint, hat er sie ziemlich übel verprügelt, bis sie schließlich in den Zug gestiegen und hierher zurückgekommen ist. Hat sie so schlimm verprügelt, bevor sie in den Zug stieg, dass sie dachten, sie müssen anhalten und sie ins Krankenhaus bringen.«
»Das möchte ich mal sehen«, sagt Irlma. »Den Mann möchte ich sehen, der das mit mir probiert.«
»Ha«, sagt Harry. »Aber sie muss etwas Geld gehabt haben, oder sie hat sich von Bud ihren Anteil am Haus auszahlen lassen, denn sie hat sich den Wohnwagen gekauft. Vielleicht wollte sie auf Reisen gehen. Aber Joe ist wieder aufgetaucht, und sie sind mit dem Wohnwagen an den Fluss gezogen und haben geheiratet. Ihr anderer Mann muss gestorben sein.«
»Behaupten, sie haben geheiratet«, sagt Irlma.
»Keine Ahnung«, sagt Harry. »Man sagt, er verdrischt sie immer noch, wenn ihm danach ist.«
»Das soll mal einer mit mir probieren«, sagt Irlma, »dem verpass ich ein Ding. Dem verpass ich eins in die Ihr-wisst-schon-wo.«
»Na, na«, sagt mein Vater mit gespielter Entrüstung.
»Hat vielleicht was damit zu tun, dass sie Halbblut ist«, sagt Harry. »Man sagt ja, die Indianer verdreschen ihre Frauen immer mal wieder, damit sie um so heißer von ihnen geliebt werden.«
Ich fühle mich verpflichtet einzuwerfen: »Ach, das ist nur so ein Gerede über die Indianer«, und Irlma – die sofort intellektuelle Anmaßung wittert – sagt, vieles von dem, was so über Indianer geredet werde, das sei, bitteschön, nur allzu wahr.
»Also dieses Gespräch ist viel zu aufregend für einen alten Kerl wie mich«, sagt mein Vater. »Ich glaube, ich geh mal nach oben und leg mich ein Weilchen
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