Wuensch dir was
irgendjemanden zu umarmen, aber ich konnte mich natürlich nicht dagegen wehren, also legte ich einen Arm um sie und tätschelte ihr flüchtig den Rücken. Sie ließ mich nicht los, sondern presste mich weiter an sich, also schlang ich auch den anderen Arm um sie und drückte sie an mich. Ich lehnte den Kopf an ihre Schulter und schmiegte mich an sie, ließ mich in ihre Arme fallen, bis ich quasi nur noch ihretwegen aufrecht dastand. Ich war es gewesen, die diese Umarmung benötigt hatte, nicht sie.
Schließlich machten wir uns voneinander los, und sie lächelte mich an. Ich erwiderte ihr Lächeln.
»Ich habe dich schrecklich lieb, Barbara.« Ich schob ihr die Haare aus dem Gesicht, strich sie ihr hinter die Ohren. »Du bedeutest mir mehr, als du ahnst.«
»Ich hab dich auch lieb, Mom.«
»So, aber jetzt muss ich mich ausruhen.«
»Kann ich noch irgendetwas für dich tun?«, fragte sie.
»Nein danke, Liebes. Ich brauche etwas Zeit für mich. Ich muss nachdenken.«
»Wenn du etwas brauchst, ruf mich an«, trug sie mir auf.
»Ja, dann melde ich mich.«
»Ich mache die Tür zu, damit du ungestört bist.« Sie ging hinaus und schloss vorsichtig die Tür hinter sich.
Ich ging in meinen begehbaren Schrank, um Zacharys Kleider abzulegen. Dabei streifte mein Blick den großen Spiegel. Mir war völlig schleierhaft, wie ich es in diesem Aufzug nach Hause geschafft hatte. Ein Glück, dass Zachary so tief und fest geschlafen hatte. Gott bewahre, wenn er aufgewacht wäre. Die Frau im Spiegel war alt, steinalt und runzlig. Ich hatte sie schon beinahe vergessen. Ich bückte mich, so weit es mein schmerzender Rücken erlaubte, und schlüpfte aus Zacharys Schuhen, aus der Jogginghose, aus dem ausgeleierten T-Shirt, das ich mir von ihm geliehen hatte. Ich war um fast fünfzig Jahre gealtert, und genauso
fühlte ich mich auch. Ich konnte meinen Anblick nicht länger ertragen. Ich warf die Kleider in die hinterste Ecke meines Schrankes, wo bis gestern meine Jeans gelegen hatte, die ich damals für die Touristen-Ranch gekauft hatte. Sie lag noch auf dem Schlafzimmerboden. Die konnte ich auch später noch wegräumen. Ich wollte mich nur noch hinlegen.
Ich zog eines meiner alten Nachthemden über und stieg in mein Bett.
Ehe ich den Kopf auf das Kissen bettete, sah ich mich in meinem Schlafzimmer um. Vor vierundzwanzig Stunden noch hatte ich dieses Zimmer geliebt. Jetzt erinnerte mich alles darin an eine Vergangenheit, der ich nicht entfliehen konnte.
Das Geschenk der Jugend hatte sich als übler Scherz entpuppt.
Während ich unter die Decke schlüpfte, fiel mir ein Film ein, in dem ein kleiner Junge eines Morgens als erwachsener Mann erwacht, der in einer Spielzeugfirma arbeitet. War schon ziemlich lange her, dass ich den Film gesehen hatte. Wer spielt noch gleich den erwachsenen Hauptdarsteller, ein gewisser Tim oder Tom Hanks? Der Film kommt ständig im Fernsehen; Sie kennen bestimmt die Szene, in der der Protagonist auf dem riesigen Bodenklavier in einem New Yorker Spielwarenladen herumhüpft und das Stück »Chopsticks« spielt. Erst fürchtet sich der Junge davor, erwachsen zu sein, aber bald gewöhnt er sich an sein neues Leben und ihm wird klar, dass das Erwachsenendasein
längst nicht so toll ist, wie man es sich als Kind ausmalt. Er kehrt in seine alte Nachbarschaft zurück und sieht zu, wie die Kinder dort auf der Straße spielen, und er wünscht sich, so zu sein wie sie. Und am Ende wird er wieder ein kleiner Junge und ist glücklich. Lektion gelernt: Wünsch dir nie, älter zu sein. Ende.
Es gibt noch einen weiteren Film zu diesem Thema. Lucy zwang mich dazu, ihn mir anzusehen, als er neulich im Fernsehen kam. In diesem Fall wünscht sich die Protagonistin, ein hübsches brünettes Mädchen, älter zu sein und in New York City zu wohnen. Es ist die gleiche Geschichte. Sie genießt ihr neues Leben, aber als sie erkennt, was sie alles verpasst, wünscht sie sich, sie wäre wieder ein Kind. Ihr Wunsch geht in Erfüllung, sie hat die Lektion gelernt.
Alt = schlecht.
Jung = gut.
Hin und wieder erzählen die Filmemacher eben doch die Wahrheit.
Überlegen Sie doch mal: Wenn Sie wieder jung sein könnten, Ihr Leben von vorn beginnen und die Fehler beheben könnten, die Sie gemacht haben, würden Sie diese Gelegenheit nicht beim Schopf packen? Wenn Ihnen eines Tages klarwerden würde, dass Sie versagt haben, obwohl Ihre einzige Aufgabe darin bestand, Ihre Kinder großzuziehen und Ihrem Mann eine gute Ehefrau zu sein,
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