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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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zuckte höchstens entschuldigend mit den Schultern, als ob auch ihm der Mechanismus seines Wagens ein reines Mysterium wäre.

    Besonders grotesk jedoch waren die Frauen mit den manikürten Fingernägeln hoch oben in ihren schicken Geländewagen. Mit einer Hand richteten sie gedankenverloren den Rückspiegel aus, während sie mit der anderen ein Handy an ihr Ohr hielten. Abgelenkt durch den Anruf wanderten ihre Augen durch die Gegend, bis sie zufällig seinen Blick trafen. Er konnte sehen, wie sie panisch die Stirn runzelten und sich nicht länger auf das Gespräch konzentrieren konnten. Eine Weile beobachtete er sie, trieb sein Spiel mit ihren besorgten Mienen. Dann setzte er sich in Bewegung - nicht schnell, sondern offenbar mit einem klaren Ziel vor Augen, was sie meist nervös zusammenzucken ließ. Sie lehnten sich ungelenk gegen das Fenster und drückten mit dem Ellbogen den Knopf herunter, um die Tür zu versperren. Oder sie beugten sich vor, wo sie einen zentralen Schließmechanismus bedienten, so dass alle vier Türriegel auf einmal einrasteten, sobald Ifasen näher kam.
    Was geht nur in ihnen vor?, dachte er, in diesen komischen Leuten, die so viel Angst haben.
    Doch an diesem Tag machte ihn ihre Weigerung, seine Gegenwart überhaupt anzuerkennen, wütend. Seine Plastikmobiles drehten sich an ihren Aufhängern - billige Elfen und blaue Delfine, die sich in der warmen Luft gemeinsam tummelten. Die Hitze war drückend, und Ifasens Kunden verbarrikadierten sich in ihren kühlen, unerreichbaren Kokons.
    Eine Frau mit zwei kleinen Kindern, die sich auf dem Rücksitz balgten, wurde langsamer und blieb in einiger Entfernung von ihm stehen. Sie schüttelte verärgert den Kopf, noch ehe er ihr Fenster erreicht hatte. Die Frau trug ein enges Baumwolltop mit dünnen Spaghettiträgern, das ihre bereits leicht eingefallenen Brüste noch platter wirken ließ. Zigarettenrauch drang durch den offenen Spalt ihres Fensters und schlängelte sich an der Scheibe entlang. Sie starrte Ifasen unfreundlich an und verzog
das Gesicht, als ob seine bloße Existenz Abscheu erregte. In ihrer Miene und in der Art, wie sie den Kiefer zusammenpresste, zeigte sich eine solche Verachtung, dass sich Ifasen mit einem Mal schuldig fühlte - als hätte er ihren Kindern etwas Böses angetan oder ihnen eine Welt offenbart, von der sie nichts hätten wissen dürfen. Doch die beiden achteten nicht auf ihn, sondern fuhren fort, aufeinander einzuschlagen.
    Die Frau erinnerte Ifasen an seine Mutter. Sie wirkte ebenso verhärmt und lieblos, zeigte einen ähnlich ungnädigen Drang nach Vergeltung. Er musste oft an Zuhause denken - nicht nur an all das, was er zurückgelassen hatte, sondern auch an die Scham, die er empfand, wenn er sich die Missbilligung seiner Eltern seinem jetzigen Leben gegenüber vorstellte. Wie sehr hätten sie ihn verachtet, wenn sie gewusst hätten, dass er sich nun mit dem Verkauf billiger Mobiles über Wasser hielt. Sie hatten solche Hoffnungen für ihn gehegt, ihn bereits als vornehmen Geistlichen gesehen, als glücklichen Geschäftsmann oder als einen erfolgreichen Akademiker. Und wie hätte er ihnen Abayomis Arbeit erklären können, diese fragwürdige Tätigkeit, der sie nachging, indem sie Männern Vergnügen bereitete? Wie überrascht seine Eltern gewesen wären, wenn sie geahnt hätten, was aus ihm geworden war, da er ja selbst kaum wusste, wie er damit zurechtkommen sollte.
    Die Frau blickte weg, ihre Lippen zu faltigen Strichen zusammengepresst. Ifasen hatte erlebt, wie seine Mutter den Bettlern auf den Straßen von Abuja mit derselben Miene begegnet war.
    An diesem Tag konnte er sich nicht dazu bringen, das Wort »Bitte« mit den Lippen zu formen. Er vermochte nicht einmal schicksalsgeschlagen dreinzublicken, wenn die Wagen neben ihm hielten. Bisher hatte er noch nichts verkauft. Es war viel zu heiß, als dass jemand ein Fenster heruntergelassen oder freiwillig
angehalten hätte. Ifasen sah zudem abgerissen und schmutzig aus. Von so jemandem wollte sich keiner etwas einfangen.
    Er ließ die Schultern hängen und überlegte, ob er seinen schmalen Körper in den Schatten eines Baumes schleppen sollte, der neben dem Bürgersteig wuchs. Plötzlich hörte er zu seiner Überraschung ein kurzes Hupen. Er drehte sich um und entdeckte eine Frau, die das Fenster ihres rostigen VW-Käfers heruntergekurbelt hatte. Als er auf sie zulief, zwang er sich zu einem Lächeln.
    Der klebrige Geruch von Jasminräucherstäbchen schlug ihm aus

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