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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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quietschenden Reifen über Rot und prallte dabei fast mit dem Kleinwagen zusammen. Erregte Stimmen hallten auf der Kreuzung wider. Der Bettler knurrte etwas, als wäre er mit dem Chaos zufrieden, das er angerichtet hatte, und schlurfte mitten durch den Verkehr, ohne auf die hupenden Autos zu achten,
die wegen ihm bremsen mussten. Lässig winkte er ab, während er weiterhin vor sich hin redete.
    Ifasen störte der Mann nicht, auch wenn er manchmal seine Kunden verschreckte. Er erinnerte ihn an einen alten Fischer, dem er einmal als Kind in den Ferien im Nigerdelta begegnet war. Auch er hatte verwirrt gewirkt und mit sich selbst beschäftigt, letztlich aber waren sie beide harmlos. Ifasen hatte damals zum Geburtstag eine neue Angel geschenkt bekommen, eine windige Rute mit einer Fangleine so dünn wie ein Bindfaden. Er hatte auf einer der Schlickbänke gestanden und versucht, seinen kleinen Köder in die tieferen Wasserkanäle zu werfen, was ihm jedoch nicht gelingen mochte. Der Köder landete jedes Mal in den niedrigen scharfen Gräsern. Diese zerschnitten den Köder und verfingen sich in Ifasens Angelhaken. Er musste immer wieder die Leine losmachen und von Neuem anfangen, während er sich zunehmend über seine kindliche Ungeschicklichkeit ärgerte.
    Der alte Fischer hatte ihn eine Weile beobachtet. Er hatte still am grauen Ufer gestanden und Ifasen angestarrt, so dass dieser immer befangener wurde. Schließlich war er zu ihm gekommen, hatte ihm ohne ein Wort die Angel aus der Hand genommen, die Leine ordentlich aufgerollt und den Haken festgemacht. Dann hatte er Ifasen gezeigt, wie man dünne Streifen des verdorbenen Tierfetts als Köder um ein Stück Brot wickelte. Seine kräftigen Hände waren ölig verschmiert gewesen. Er hatte Ifasen am Hemdkragen gepackt, wobei er den Stoff in seiner Faust zusammenknüllte, und ihn an den jungen Fischern vorbeigeführt, die stolz mit ihren in der Sonne schimmernden Angeln dastanden, die Leinen in geraden Linien ins tiefe Wasser hängend. Sie holten frische Krabben aus ihren Eimern, die noch mit ihren kleinen Schwänzen wackelten, wickelten einen elastischen Faden um die lebenden Köder und befestigten sie an ihren Angelhaken.
Die Enden ihrer Leinen verzweigten sich in einer Ansammlung von rotweißen Schwimmern und großen grauen Bleigewichten im Wasser des Nigers.
    Die jungen Männer verspotteten die beiden, als sie an ihnen vorübergingen. »Weißt du nicht, dass Fische keine zähen Ziegen fressen, alter Mann? Was wollt ihr fangen? Etwa Aasgeier?« Sie lachten laut und klopften sich vor Vergnügen auf die Schenkel.
    Zuerst hatte sich Ifasen geschämt, während ihn der feste Griff des alten Mannes zugleich verängstigte. Aber der Fischer winkte nur wortlos ab, als er den Spott der anderen hörte, spuckte neben den jungen Leuten in den Sand und führte Ifasen zu einem klapprigen Steg, der weit ins Wasser hinausragte. An diesem Tag fingen die beiden sechs große Karpfen, deren fette silbergrüne Körper gegen die Seiten des Eimers schlugen. Die jungen Männer hingegen hatten immer wieder ihre Angeln ausgeworfen, nachdem sie an ihren Haken nur noch die Überreste der Krabbenschalen herausgezogen hatten. Als Ifasen und der alte Mann wieder an ihnen vorbeikamen, grinste Ifasen triumphierend beim Anblick ihrer leeren Eimer. Der Alte hingegen brummte nur leise. Dann ließ er den Jungen los und verschwand wortlos hinter den Sandhügeln.
    Ifasen hatte zwei der dicksten Fische des Fangs in das geräumige Ferienhaus getragen. Mit einem stolzen Lächeln hatte er sie Abeni präsentiert. »Wie geschickt du doch bist!«, hatte sie ihn gelobt. Doch trotz der Worte bemerkte er ihre Unruhe. Sie legte die Fische ins Spülbecken und ließ erst einmal kaltes Wasser auf sie laufen. Irgendwie schien sie sich nicht sicher zu sein, was sie damit tun sollte. Hatte sie vielleicht noch nie zuvor einen Fisch ausgenommen? Die Vorstellung, die festen Bäuche der Tiere aufzuschneiden und mit bloßen Fingern hineinzufahren, rief bei Ifasen eine leichte Übelkeit hervor.
    In diesem Moment kam Na’imah in die Küche und entdeckte
die beiden Fische in der Spüle. »Glaubst du, wir essen diese Schlammfresser, Abeni? Woher hast du diesen Abfall, mein Kind? Möge Allah uns gnädig sein!«
    »Verzeihen Sie, Madam«, stammelte Abeni. »Ein Bekannter hat sie mir gegeben. Sie sind gar nicht für die Familie gedacht. Sie sind für mich. Meine Leute essen solche Fische, Madam.«
    Na’imah feixte spöttisch. »Abeni,

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