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Würde - Roman

Titel: Würde - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: PeP eBooks
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dem Wageninneren entgegen. »Guten Morgen«, sagte er und bemühte sich, höflich zu klingen. Die Frau hatte blondes Haar, das zusammengedreht war und ihn an getrocknete Fische erinnerte. Offensichtlich wollte sie sich Dreadlocks wachsen lassen. Ein Ring blitzte an ihrem Nasenflügel. Ihre Augen sahen gerötet und feucht aus, als litte sie unter einer starken Erkältung. Ifasen überlegte einen Moment lang, ob er etwas sagen sollte, ließ es aber lieber bleiben. Stattdessen hielt er seine Mobiles hoch, damit sie diese begutachten konnte.
    Die Frau betrachtete die zarten Gebilde bewundernd. »Die sind hübsch, was?« Sie sprach langsam und schleppend, als befände sie sich im Halbschlaf. Ifasen nickte. Ein Lieferwagen, der hinter ihrem Käfer wartete, hupte ungeduldig, als sich die Wagen vor ihr in Bewegung setzten.
    »Möchten Sie eines kaufen?« Ifasen ignorierte den Fahrer des Lieferwagens, der jetzt wütend zu schimpfen begann. »Sie kosten nur fünfzehn Rand pro Stück.«
    »Die sind wirklich hübsch, Mann. Machen Sie die selbst oder was?«
    Die maschinell hergestellten und ausgestanzten Figuren flatterten vor ihrer Nase hin und her. Ifasen schüttelte nur widerstrebend den Kopf. Nein, die habe ich natürlich nicht
selbst gemacht, dachte er. Schau sie dir doch genauer an, Mädchen.
    Der Lieferwagen hupte erneut. Ein junger Mann ohne Vorderzähne und mit kurz geschorenem Haar steckte seinen Kopf aus dem Fenster. »He, woher hast du denn deinen Führerschein, mei bru ? Von den verdammten Tafelberg Furnishers, im Sonderangebot, oder wie? Los, jetzt fahr!«
    »Ist ja gut«, antwortete die Frau und winkte Ifasen näher zu sich. »Kann ich mir die noch mal ansehen? Hübsch, echt hübsch …« Ihre Stimme ging im lauten Aufheulen ihres Autos unter, als es einen Satz nach vorn machte, wohl ebenso von den Kraftausdrücken des Fahrers angeschoben wie vom Motor selbst.
    »Nichts zu tun, die Alte, und fährt trotzdem den ganzen Tag im Kreis, oder was!«
    Als der Lieferwagen an ihm vorbeifuhr, öffnete Ifasen den Mund, um zu protestieren.
    »Was guckst du so dämlich, Poes ?«, fauchte ihn der Mann an, dessen Gesicht zu einer hässlichen Fratze verzerrt war. Der Wagen rollte weiter, und die Beleidigungen wurden vom Lärm des Verkehrs verschluckt.
    Nach und nach wurden es weniger Wagen, und für einen Moment herrschte beinahe Stille. Ein alter Bettler humpelte von der Straßeninsel herunter. Er zog sein zu kurz geratenes Bein hinter sich her, während er seine Krücke fest auf den Teer aufsetzte, so dass der abgestoßene Holzpfahl sein Gewicht tragen konnte. Der Mann arbeitete sich täglich zusammen mit Ifasen die Kreuzung entlang. Seine Kleidung war sonnengebleicht und hatte sich in ein eintöniges Grau verwandelt, wenn man von der knallroten Schnur absah, die er sich als Gürtel um die Taille gewickelt hatte.
    Er humpelte auf Ifasen zu und zischte wütend. Ifasen hatte
sich inzwischen an die seltsamen Angewohnheiten seines Straßenkollegen gewöhnt. Er wusste, dass der Bettler unvorhersehbare Wutanfälle, aber auch Freudenausbrüche haben konnte. Oft redete er mit sich selbst, und manchmal schimpfte er so laut, dass er die Vorbeifahrenden verschreckte und damit jegliche Hoffnung auf ein Geschäft zunichte machte.
    Ifasen trat einen Schritt zurück, um den Mann vorbeizulassen. Er stank nach Urin und altem Schweiß. Ein kleiner Wagen kam auf der Überholspur dahergeschossen, und der alte Mann drehte sich danach um, entschlossen, die Fahrbahn nicht zu räumen. Das Auto wurde langsamer, betätigte die Lichthupe und wechselte dann auf die mittlere Spur. Der Bettler murmelte etwas, ein leises Geflüster von Obszönitäten, das fast wie ein melodisches Gedicht klang. Mit seiner freien Hand fuchtelte er in Richtung der leeren Fahrbahn. Der Fahrer fuhr so langsam, als er schließlich neben ihm gleichzog, dass er beinahe anhielt.
    Plötzlich kam Leben in den Alten. Er riss die Augen auf, fletschte wie ein wildes Tier die Zähne und ließ die Zunge im Mund kreisen. Dann streckte er seine knotige Hand nach der jungen muslimischen Frau aus, die mit umgebundenem Kopftuch auf der Rückbank des Autos saß. Sie zuckte erschreckt zusammen und rutschte hastig auf die andere Seite des Wagens. Der Fahrer schnellte sofort angriffslustig herum und musterte zuerst den Bettler und dann Ifasen. Er versuchte offenbar einzuschätzen, welche Absichten der alte Mann hegte.
    Die Ampel schaltete um, und das Auto fuhr weiter. Ein Minibus raste mit

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